"Ein Wendepunkt in der Geschichte Palästinas": Interview mit
Jamal Juma - Ida Audeh - 29.06.2018 - Interview von
Ida Audeh, eine Palästinenserin in Colorado, mit Jamal Juma,
dem Koordinator der Kampagne Palestinian Grassroots
Anti-Apartheid Wall über den Volkswiderstand in Gaza, die
Politik der Trump-Administration bezüglich der
palästinsischen Sache und die palästinensischen Optionen für
einen neuen Kurs.
Ida Audeh: [...] Beschreibe Israels derzeitiges
Kontrollsystem der besetzten Gebiete, zu dem die Mauer
gehört. - Jamal Juma: Es ist eindeutig, dass die Mauer
zur Isolierung und Belagerung der Palästinenser konzipiert
wurde. Das Projekt Palästinenser mit der Mauer zu belagern
ist vervollständigt worden. Sie riegelte alle dynamischen
Gebiete ab, deren Isolierung in verschiedene Bereiche Israel
für notwendig hielt. 80% der Mauer liegen innerhalb der
Westbank. Der zweite Teil der Belagerung ist die Stärkung
der Siedlungen. Jede Siedlung hat, was Israel eine
Pufferzone nennt – einen Sicherheitsapparat aus Stacheldraht
und Straßen, die Palästinenser nicht benützen dürfen. Das
erlaubt ihnen, zusammen mit alternativen (Bypass-) Straßen
(die wir Apartheidstraßen nennen), das Territorium zu
kontrollieren. Heute gibt es zwei Straßennetze: eines für
israelische Siedler, etwa 1.400 km lang, dessen Zweck es
ist, alle Siedlungen miteinander und mit Israel in einer Art
Netz zu verbinden. Und das ist vollständig. Dieses Netz ist
das Dominante in der Westbank und dazu gehören die größeren
Straßen. Das andere Netz, die alternativen Straßen, dient
der Nutzung durch die Palästinenser; diese Straßen werden
sich über 48 geplante Tunnels und Brücken kreuzen, von denen
einige bereits geschaffen wurden. Die zwei Straßensysteme
sind getrennt. Es ist die Basis des rassistischen
Diskrimierungssystems, von dem wir sprechen: es isoliert
Palästinenser und sperrt sie in begrenzte Räume ein,
kontrolliert ihre Ressourcen durch die Siedlungen, das
Straßennetz, die militärischen Einrichtungen und die Mauer,
die etwa 62% der Westbank einnimmt.
Mit der Ausdehnung der Siedlungen sprechen wir nicht mehr
nur darüber, dass die Palästinenser in die nördlichen,
südliche und zentrale Region ghettoisiert sind. Es gibt noch
weitere Fragmentierung der palästinensischen Wohngebiete.
Bezüglich neuer Siedlungsaußenposten wird nicht mehr
diskutiert, ob sie aufgelöst werden sollen oder nicht. Sie
werden in Siedlungen umgewandelt. Wenn du 150 Außenposten
siehst, sprichst du tatsächlich über 150 neue Siedlungen.
Dieses Projekt wurde intensiviert, und zwar insbesondere
seit Trump ins Amt kam.
I.A.: Hast Du demnach eine eindeutige Beschleunigung nach
Trump beobachtet? - J.J.: Es ist mehr als eine
Beschleunigung. Es ist ein Wendepunkt in der Geschichte
Palästinas. Seit Trump ins Amt kam, hat sich die US-Politik
das zionistische Projekt voll zu eigen gemacht. Es ist ein
klares Programm. Es begann mit Jerusalem und der Anerkennung
Jerusalems als Hauptstadt des zionistischen Gebildes, der
Verlegung der Botschaft, dem Angriff auf die Flüchtlinge mit
der Kürzung der Beiträge zur UNRWA und anderen Formen des
Drucks auf Gebiete, in denen eine große Anzahl von
Flüchtlingen leben, einschließlich ihrer permanenten
Ansiedlung in den Gastländern.
Die israelische Kolonisation, die geografische Ausarbeitung
der politischen Landkarte ist eine weitere Komponente der
Liquidierung der palästinensische Sache. Die israelische
Vorlagen für die Kolonisation sind massiv. Sie konzentrieren
sich auf das Jordantal – den Bau neuer Sieldungen, den
Ausbau bestehender Siedlungen, die Schaffung der
unterstützenden Infrastruktur und riesige Anreize für
Israelis, die in der Landwirtschaft arbeiten (Barzahlungen
von $20.000 für jeden, der bereit ist hierher zu kommen).
Jetzt liegen die Siedlungen oben auf der Bergkette und
überblicken das Jordantal, was ihnen ermöglicht niedriger
gelegene Ortschaften einzukreisen. Wenn du über Ariel
sprichst, über Ma'aleh Adumim usw., dann wird es so sein als
wäre die ganze Westbank ein Vorort von Tel Aviv. Das wird
hier irgendeine Trennung in der Zukunft unmöglich machen,
für irgendein unabhängiges palästinensisches Gebilde hier;
statt dessen wird den Palästinensern ein Apartheidssystem
von Kantonen aufgezwungen. Das ist die Realität vor Ort.
Zurück zur neuen US-Politik: Zusätzlich zu einer Veränderung
der US-Positionen zu Jerusalem und dem Flüchtlingsproblem,
werden die arabischen Länder benützt, die für eine
Normalisierung mit Isael bereit sind und sich um eine
Ausrichtung auf das amerikanische Projekt bemühen – zu
allererst Saudi Arabien und ebenso Bahrain, die Vereinigten
Arabischen Emirate und Ägypten, die die Palästinenser unter
Druck setzen, das US-Projekt zur Liquidierung der
palästinensischen Frage zu akzeptieren. Das hat komplizierte
Seiten und ist aus der Sphäre des internationalen Rechts
(des Völkerrechts) und der UNO herausgenommen; jeder hat
zuvor in diesem Rahmenplan gearbeitet. Wir haben die
Umsetzung der Resolutionen gefordert. Aber die USA haben dem
Völkerrecht einen Schlag versetzt.
I.A.: Die USA schlagen jetzt einen "Jahrhundertdeal" vor,
den die Golfstaaten bereitwillig unterstützen. Kannst Du die
Umrisse dieses Deals beschreiben? - J.J.: Der Vorschlag
ist die Schaffung eines palästinensischen Staates in Gaza
mit Ausdehnung in die Wüste Sinai unter Verwaltung durch die
Palästinensische Autonomiebehörde. Die Westbank und
Jerusalem sind nicht Teil dieser Kalkulationen, obwohl
Israel bereit sein könnte, manche Gebiete rund um Jerusalem
aufzugeben, die mit Palästinensern dicht bevölkert sind.
(Diesr Teil des Vorschlags ist von extremistischen
israelischen Gruppen noch vor dem Vorschlag von Trump in
Umlauf gesetzt worden.) Sie könnten bereit sein sich aus
Gebieten von Groß-Jerusalem mit hoher palästinensischer
Bevölkerungsdichte zurückzuziehen, wie Jabal Mukkaber,
Isawiya, Silwan und Süd-Bahir; es gab einige Diskussionen
über den Wegzug aus Beit Hanina und Shufat. Die Israelis
würden die Kontrolle über die jüdischen Siedlungen und die
Altstadt behalten, was zusammen etwa 87% von Ost-Jerusalem
ausmachen würde – ein nicht gerade kleines Gebiet.
I.A.: Wie ist die palästinensische Antwort auf diesen Plan?
- Fortsetzung folgt
Quelle
Übersetzung: K. Nebauer)
Palestine
Update Nr. 149 – 20.6.18 –
Offener Brief aus Schweden an alle Menschen guten Willens in
Palästina, Israel und der Weltgemeinschaft
Die
TeilnehmerInnen an dem Seminar von Kairos
Palestine-Schweden in Sjövik, Dalama, Schweden am 17.
Juni 2018 – organisiert von Kairos Palestine-Schweden in
Kooperation mit Juden für den Frieden in Israel/Palästina (JIPF),
den Schwedischen Muslimen für Frieden und Gerechtigkeit, dem
Schwedischen Versöhnungsbund, Freunde von Sabeel–Schweden,
der Diözese Västeras /Kirche von Schweden, Kisto Folk High
School und Sjövik Folk High School - verfassten gemeinsam
den nachfolgenden Brief
Die
Stellungnahme erinnert uns an den Amman Call des
Weltkirchenrates vom Juni 2007, der die Christen auffordert,
„zu handeln und zu beten und zu sprechen und zu arbeiten und
ihren Ruf und ihr Leben zu riskieren, um mit uns Brücken zu
bauen für einen andauernden Frieden unter diesen Völkern an
diesem gefolterten und wunderschönen Ort – Palästina und
Israel – um diese Jahrzehnte von Ungerechtigkeit, Demütigung
und Unsicherheit zu beenden, diese Jahrzehnte, um als
Flüchtlinge und unter Besetzung leben zu müssen. Er
unterstreicht auch wieder das zentrale Prinzip des Kairos:
„Wir glauben an einen guten und gerechten Gott. Wir
glauben, dass Gottes Güte zuletzt über das Böse in Hass und
Tod, das in unserem Land noch vorherrscht, triumphieren
wird“.
• Unsere Solidarität ist mit dem palästinensischen Volk im
70. Jahr der andauernden Nakba (Katastrophe)
• Unser Protest geht an die Weltgemeinschaft, die die
ständig andauernde Zerstörung von Leben und Land der
Palästinenser, Kolonisierung, Okkupation und Trennung und
Zerstückelung des palästinensischen Volkes duldet. Israel
ist verantwortlich für den Verlust der palästinensischen
nationalen Selbstbestimmung, ist verantwortlich für ein
bösartiges System der Unterdrückung, für den Bruch des
Völkerrechts und für seine Verbrechen gegen die
Menschlichkeit.
• Unsere Forderung ist, dass die israelische Regierung ihre
Pläne für die erzwungene Absiedelung von Khan al Ahmar und
anderen palästinensischen Gemeinden und die Drohungen gegen
Susya aufgibt. Wir fordern die schwedische Regierung und die
Weltgemeinschaft auf, über Stellungnahmen hinauszugehen und
sicherzustellen, dass Israel diese Verbrechen nicht
ausführt, die B’Tselem Kriegsverbrechen nennt. (Siehe die
nachfolgende Meldung von Adam Keller, Redaktion von Haaretz)
• Unsere Überzeugung ist, dass der internationale Charakter
von Jerusalem bestehen bleiben muss und der jüdische,
christliche und muslimische Charakter der Stadt nach dem
Völkerrecht respektiert und die nationale, mit der Stadt
verbundene Sehnsucht sowohl der Palästinenser wie auch der
Israelis gewahrt wird.
• Unsere Angst besteht, dass die Belagerung von Gaza die
unerträgliche humanitäre Situation in Gaza dieses größte
Freiluftgefängnis der Welt zu einer unvorstellbaren
menschlichen Katastrophe werden lässt.
• Unser Mitgefühl ist bei dem Volk von Gaza, das die
Tötungen durch Scharfschützen während der größtenteils
friedlichen Demonstrationen für seine Menschenrechte und für
sein Rückkehrrecht zu erleiden hatte.
• Unser Respekt gilt den Bemühungen der Zivilgesellschaft,
eine wahrhaft inklusive und internationale Bewegung
gewaltloser demokratischer Aktionen aufzubauen, um Israel
unter Druck zu setzen, und für einen gerechten Frieden und
die Erfüllung seiner Verpflichtungen unter dem Völkerrecht
zu arbeiten.
• Wir verstehen die von vielen Organisationen aufgegriffene
Position zu Boykott, Divestment und Sanktionen (BDS) im
Kontext von Besetzung, Trennung und Belagerung.
• Unsere Bitte geht an die europäischen Länder, nicht am
Europäischen Song Contest teilzunehmen, der für Israel 2019
vorgesehen ist. Während Israel seine Kolonisation ausweitet
– die auch die Vertreibung von Palästinensern von ihren
Wohnstätten, von ihrem Land und aus ihrer Heimat enthält –
lebt die große Mehrheit der Israelis, als wäre alles ganz
normal. Der European Song Contest in Israel stärkt diese
Linie absichtlicher Ignoranz. Daher sollte der European Song
Contest 2019 nicht in Israel durchgeführt werden.
• Es ist uns eine Freude, die globale Bewegung von Muslimen,
Juden und Christen, religiösen und säkularen zu sehen, die
entschlossen sind, das religiöse Erbe des Mittleren Ostens
in einer gegenseitig gerechten, inklusiven und befreienden
Art zu leben, indem sie für die verwundete Erde sorgt und
für alle ihre Völker.
Wir, die wir in einem Europa mit vielen älteren Menschen
leben, reichen Euch, den jungen Menschen in Israel und
Palästina die Hände und sichern euch zu, dass wir nicht
aufhören werden, unsere Stimmen zu erheben und mit euch und
für euer Leben, eure Rechte und eure Würde zu arbeiten, so
lange wir können.
Benjamin Ladraa, ein 25jähriger Schwede, wanderte 4.800
Kilometer von Schweden nach Palästina, um die so notwendige
Aufmerksamkeit für die Palästinenser zu bewirken.
Übers.: Gerhilde Merz
Schluss
mit der Diskriminierung - Unterzeichne die Petition
- Defense for Children International,Palestine - An Frau
Federica Mogherini, Hohe Vertreterin der EU für Foreign
Affairs and Security Policy, Vice-President of the European
Commission - Herrn Antonio Guterres, Generalsekretär der UN
und Präsident des UN-Sicherheitsrates
Wir, die Unterzeichner rufen die EU und das UN-Sekretariat
und die Mitglieder des UN-Rates auf, eine dringende Aktion
zu unternehmen, die die systematische und absichtliche
Diskriminierung der Palästinenser in Jerusalem beendet.
Durch das Ratifizieren des Internationalen
Menschenrechts-Vertrags hat sich Israel verpflichtet, die
nicht-Diskriminierungs-Garantien zu wahren. Doch
diskriminierende israelische Gesetze und Politik zielen
absichtlich auf Palästinenser in Jerusalem: zwangsweiser
Transfer von Palästinenser aus der Stadt. Die Anerkennung
Jerusalems als Hauptstadt Israels durch Trump hat die
israelische Regierung ermutigt, die palästinensischen Rechte
weiter zu erodieren.
Wir rufen die EU, den UN-General-Sekretär und Präsident des
UN-Sicherheitsrats auf, das Internationale Gesetz aufrecht
zu halten und Schritte zu unternehmen, damit Israels
diskriminierende Gesetze und Praktiken gegenüber
palästinensischen Bewohnern Jerusalems beendet werden. EU
und UN-Mitgliederstaaten müssen Aktionen vermeiden, die auf
die Anerkennung von Israels Annexion von Ost-Jerusalem
hinweisen.
Die Palästinenser in Jerusalem haben unter langer Besatzung,
unter ungleichen und diskriminierenden Bedingungen gelebt
und zwar seit Israels einseitiger und illegaler Annexion von
Ost-Jerusalem 1967.
Seit 51 Jahren haben diskriminierende Gesetze, Praktiken,
Budgets jeden Aspekt des täglichen Lebens beeinflusst.
Palästinenser in Jerusalem leben mit unsicherem „permanenten
Wohn-Status“ mit dem ständigen Risiko zwangsweiser
Vertreibung. Zwischen 1967 und Ende 2016 hat Israel den
Wohnstatus von 14595Palästinensern von
Ost-Jerusalem widerrufen.
Diskriminierende Stadtplanung hat 35% von Ost-Jerusalem für
illegale israelische Siedlungen konfisziert und nur 13% von
Ost-Jerusalem
für Palästinenser gelassen.
Außerdem erlauben israelische Gesetze die Zerstörung von
palästinensischen Bauten und machen Palästinenser verwundbar
für Vertreibung und gewalttätige Übernahme von Siedlern.
Zwischen 1. Januar 2009 und 30. April 2018 wurden 934
palästinensischer Bauten, einschließlich 281 bewohnter
Wohnbauten zerstört, konfisziert, versiegelt oder die
Bewohner von israelischen Behörden vertrieben.
1855 Palästinenser, einschließlich 975 Kinder, wurden
vertrieben.
Israel verweigert und unterfinanziert die Infrastruktur und
sozialen Dienste für palästinensische Gemeinden in
Ost-Jerusalem und schafft so Kürzungen an Grund-Diensten und
ungleichen Bildungsmöglichkeiten.
In Bezug auf Kinder, die gegen israelische Gesetze und
Erfüllungsnormen verstoßen, werden in Ost-Jerusalem
unverhältnismäßig mit Verhaftung bestraft.
Jedes Jahr werden palästinensische Kinder aus Ost-Jerusalem
routinemäßig mitten in der Nacht aus ihren Häusern verhaftet
und ohne Gegenwart eines Anwaltes oder der Eltern verhört
und mit Worten und physisch während der Verhaftung, des
Transportes und des Verhörs misshandelt.
Palästinenser in Jerusalem fürchten, dass Israels
Missachtung ihrer Rechte nur zunehmen wird, wenn die US ihre
Botschaft Mitte Mai nach Jerusalem umziehen werden, nachdem
Präsident Trump Jerusalem als Israels Hauptstadt anerkannt
hat.
Solange wir Israels Behörden verantwortlich für diese
schlimmen und eklatanten Verletzungen des Internationalen
Gesetzes halten, werden die Palästinenser in Jerusalem
weiterhin die Ziele von Diskriminierung sein.
Quelle
(dt. Ellen Rohlfs)
Hitler-Verehrer auf offiziellem Besuch in Israel
Der philippinische Präsident Rodrigo Duterte soll im
September auf Einladung von Netanyahu einen
offiziellen Besuch in Israel machen, berichtet die
Tageszeitung Haaretz am Donnerstag. >>>