Eine Seite für Prof. Dr. Rolf Verleger
Ein gerechter ist von uns gegangen
NACHRUF
Rolf Verleger gestorben – ein jüdischer Kritiker Israels
Heiko Flottau 21. November 2021
Professor Rolf Verleger, ehemaliges Mitglied des Zentralrates der Juden in Deutschland und Kritiker der israelischen Besatzungspolitik, ist gestorben. Bei der Beerdigung auf Berlins Jüdischem Friedhof in Weissensee fehlte ein Trauergast – ein Vertreter des Zentralrates. Beerdigungen können die Basis für Versöhnung sein – oder wenigstens für eine Art politischen Waffenstillstand – so denn ein Zerwürfnis aktuellen oder auch prinzipiellen Meinungsverschiedenheiten etwa über Konflikte zwischen zwei Völkern entspringt. Wer Grösse zeigen will, lässt sich eine solche Gelegenheit nicht entgehen.
Rolf Verleger hätte eine solche Geste verdient gehabt. Sie ist ausgeblieben. Die Fronten zwischen ihm und dem Zentralrat waren zu verhärtet. Wie im Nahen Osten, wo sich Israelis und Palästinenser seit Jahrzehnten in einem Konflikt verknäuelt haben. Oder realistischer: wo Israel die Besetzung palästinensischen Landes nicht beenden will.
Rolf Verleger war – neben Rupert Neudeck, Professor Udo Steinbach, Professor Norman Paech, Nirit Sommerfeld und manch anderen, Gründungsmitglied des 2017 in Deutschland ins Leben gerufenen Bündnisses für Gerechtigkeit zwischen Israelis und Palästinensern e. V., abgekürzt BIP.
In der Satzung heisst es, die Palästinenser hätten die Existenz des Staates Israels in den Grenzen von 1949 seit langem akzeptiert und durch ihre Vertretung, die PLO, wiederholt anerkannt. «Sie werden jedoch niemals die Besatzung ihrer Restheimat – der Westbank, Ost-Jerusalems und des Gaza- Streifens – akzeptieren.» Denn diese Besatzung entziehe durch die «ungebrochene Kolonisierung und Enteignung von Land, die regelmässige Zerstörung von Häusern, Gärten und Plantagen und die Gewalt der Siedler den Palästinensern die Existenzgrundlage».
Rolf Verleger hat über sich selber in seinem Buch «Hundert Jahre Heimatland?» (siehe Journal21 vom 10.Oktober 2017) geschrieben: «Mein Vater war 1942 in Auschwitz, seine Frau und seine drei Kinder wurden dort umgebracht. Er hat überlebt. Meine Mutter wurde 1942 mit ihren Eltern von Berlin nach Estland deportiert. Sie allein hat überlebt. (...) 1948 heirateten meine Eltern. Mein Vater wollte wieder Kinder haben, jüdische Kinder.» Bewusst, schreibt Rolf Verleger weiter, hätten sich seine Eltern für Deutschland entschieden, wo sein Vater eigentlich gern gewohnt habe. Rolf Verleger wurde Psychologe, war bis 2017 Professor an der Universität Lübeck und von 2006 bis 2009 Mitglied im Zentralrat der Juden in Deutschland.
Zum Konflikt zwischen Rolf Verleger und dem Zentralrat kam es nach dem Tod Heinz Galinskis. Galinski war 1988 zum Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland gewählt worden. Damit hatte eine Epoche begonnen, in welcher der Zentralrat «eine Rolle als Kontrollinstanz für die Einhaltung der Menschenrechte» übernommen habe, schreibt Verleger in seinem Buch. Diese Rolle habe der Zentralrat später leider aufgegeben, weil er sich «vorbehaltlos mit der Politik des Staates Israel» identifiziere und damit als moralische Instanz ausfalle. Denn Israels Politik verletze «in vielfältiger Weise die Menschenrechte der palästinensischen Bevölkerung». mehr >>>
BIP-Aktuell #196: Nachrufe auf Prof. Dr. Rolf Verleger
Freunde und Kollegen verabschieden sich
Rupert Neudeck – Rolf Verlegers Weggefährte
Rolf Verleger ist gestorben, weil wir alle mit dem Tod in uns geboren werden. Sein zugewandtes Lächeln werde ich nicht vergessen; auch nicht seine unbedingte Wahrheitsliebe. Er war ein leiser stetiger Kämpfer, kein Schreier; ganz besonders setzte er sich als Jude für die Palästinenser ein. Er gab wie Rupert die Hoffnung auf eine Veränderung zum Guten im Heiligen Unheiligen Land Israel nicht auf. „Wenn man die richtigen Lehren aus dem Dritten Reich gezogen hat, kann man zu heutigem Unrecht nicht schweigen. (Beides war ihm wichtig). Wer sich für Menschenrechte einsetzt, braucht Rückgrat – auch wenn er sich den Vorwurf des Antisemitismus einhandelt.“ Das sagte er und so lebte er. Im Talmud gibt es die Geschichte von den 36 Gerechten, ohne deren selbstlose Werke die Welt längst verfallen wäre. Niemand weiß, wer sie sind. Wenn ein Gerechter abberufen wird, wird ein neuer geboren. Ich möchte mir gern vorstellen, dass Rupert Rolf empfangen hat und dass beide uns Lebenden helfen, ihre Arbeit fortzusetzen.
Christel Neudeck,ihr verstorbener Mann war Mitbegründer von BIP
mehr >>>
-
Kritik an Israels Politik aus dem jüdischen Gebot der Nächstenliebe heraus
Ein Nachruf auf Rolf Verleger
Arn Strohmeyer - 9.11.2021
Die Nachricht vom Tod Rolf Verlegers muss alle, die sich für einen gerechten Frieden im Nahen Osten einsetzen, tief betroffen machen. Mit ihm verlieren wir zudem einen wunderbaren und liebevollen Menschen, den persönlich gekannt zu haben eine große Bereicherung war. Im Januar dieses Jahres hat er mir noch einen langen Brief geschrieben, in dem er auch auf seine Krankheit einging. Der Brief endete mit den Worten: „Ich muss sehr teure Pillen schlucken, und die Ärzte sind guter Stimmung. Mal sehen, wie es weitergeht…“ Er hat den Kampf gegen seine Krankheit verloren, er ist nur 70 Jahre alt geworden. Wir haben mit ihm einen der besten und kenntnisreichsten Mitstreiter für ein Ende der Gewalt und der Unterdrückung in Israel/Palästina verloren. Der Verlust wiegt sehr schwer.
Die Motivation für sein politisches Engagement war das Judentum, so wie er es verstand. Über diese Religion schrieb er: „Das Judentum war über Jahrhunderte eine Ideologie der Befreiung, der Möglichkeit der kommenden Erlösung, der Heilung der Welt durch Gottes Gnade.“ Das Gebot der Tora „Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst!“ oder in anderer Übersetzung „Liebe Deinen Nächsten – er ist wie Du!“ war für ihn die universale Kernaussage dieser Religion. Er zitierte immer wieder den Satz, den der Rabbi Hillel (geb. 70 v.u.Z.) zu einem Schüler auf die Frage nach dem Wesentlichen im menschlichen Leben gesagt hat: „Was Dir verhasst ist, das tu Deinem Nächsten nicht an!“. Hillel fügte hinzu: „Das ist die ganze Tora. Der Rest ist Erläuterung.“
Dieses Liebes-Gebot hat Rolf Verleger ganz wörtlich genommen, und es war sein Motiv, sich in die israelische Politik einzumischen und einer ihrer entschiedensten Kritiker zu werden. Denn beruflich hatte er als Neurologe gar nichts damit zu tun. Angesichts der unsagbaren Verbrechen, die die Zionisten seit ihrer Einwanderung in Palästina an der indigenen Bevölkerung begangen haben, schrieb er: „Das Judentum, meine Heimat, ist in die Hände von Leuten gefallen, denen Volk und Nation höhere Werte sind als Gerechtigkeit und Nächstenliebe.“
Im Juli 2006 fiel Israels Armee erneut in den Libanon ein. Der Kriegsgrund war ein militärisches Scharmützel mit der Hisbollah an der Grenze zum Zedernstaat, bei dem mehrere israelische Soldaten getötet und zwei gefangen genommen wurden. Israel antwortete wie immer mit brutaler und unverhältnismäßiger Gewalt auf den Vorfall. Der Zentralrat der Juden in Deutschland warb daraufhin in großen Zeitungsanzeigen für Solidarität mit der israelischen Kriegspolitik. Rolf Verleger, der Delegierter im Zentralrat war, schrieb aus diesem Anlass einen Brief an die Leitung des Zentralrats – die Präsidentin Charlotte Knobloch, Prof. Dr. Korn und Dr. Graumann. Darin kritisierte Verleger massiv die Parteinahme für Israels Invasion, denn diese Militäraktion werde Israel nicht sicherer, sondern unsicherer machen, weil es sich durch diesen Krieg erneut die Wut und den Hass der Nachbarstaaten zuziehen würde.
Verleger fragte dann in seinem Brief angesichts dieser Gewalteskalation: „Ist das noch dasselbe Judentum, das der Rabbi Hillel mit seiner Aufforderung zur Nächstenliebe meinte?“ Und er beantwortete die Frage so: „Das glaubt mir doch heutzutage keiner mehr, dass dies das ‚eigentliche‘ Judentum ist, in einer Zeit, in der der jüdische Staat andere Menschen diskriminiert, in Kollektivverantwortung bestraft, gezielte Tötungen ohne Gerichtsverfahren praktiziert, für jeden getöteten Landsmann zehn Libanesen umbringen lässt und ganze Stadtviertel in Schutt und Asche legt. Ich kann doch wohl vom Zentralrat der Juden in Deutschland erwarten, dass dies wenigstens als Problem gesehen wird.“ Und er schloss seinen Brief mit den Worten: „Die israelische Regierung braucht unsere Solidarität. Im Moment ist sie aber auf einem falschen Weg, daher braucht sie von solidarischen Freunden jetzt nicht mehr Waffen oder mehr Geld oder mehr public relation, sondern mehr Kritik.“ Diese Kritik am israelischen Kriegszug und am Zentralrat kam in seiner jüdischen Gemeinde nicht gut an. Er verlor nach diesem Brief sein Mandat als Delegierter für das Zentralratsdirektorium.
Die Politik Israels gegenüber den Palästinensern warf für Verleger die Frage nach der jüdischen Identität auf. Für ihn war völlig klar, dass Israels Gewaltpolitik gegen ein ganzes Volk und der „erstickende“ zionistische Nationalismus nichts mit Judentum zu tun haben. Wenn es für ihn eine Identifikation mit Israel geben konnte, dann nur eine solche: „Für mich kann es überhaupt keinen Zweifel daran geben, Jude sein bedeutet, neben dem Stolz auf die jüdische religiöse Tradition, sich dem jüdischen Staat zugehörig fühlen. Und dieses Gefühl der Zugehörigkeit bedeutet, sich dafür einzusetzen, dass dieser Staat Frieden mit seinen arabischen Nachbarn macht, indem er endlich aufhört, die arabischen Palästinenser als Menschen zweiter Klasse zu behandeln.“
An die Juden in Deutschland richtete er einen flammenden, aber auch warnenden Apell: „Juden in Deutschland, die ihre jüdische Identität auf diese Weise definieren, als Bekenntnis zur aktuellen Politik des jüdischen Staates, setzen Kritik an Israels Politik gleich mit Verrat am Judentum, denn gemäß dieser Identitätsproblematik gibt es kein Judentum außerhalb der Unterstützung der Politik Israels. Das ist Nationalismus als Identitätsersatz. Das ist nicht gut, denn übersteigerter Nationalismus hat schon andere Länder in den Abgrund geführt, und so könnte es auch Israel gehen.“
Aus diesem Geist heraus hat sich Rolf Verleger immer wieder mit seinem kritischen Intellekt, seiner humanitären Gesinnung und seinem hohen moralischen Anspruch in die politische Debatte über Israel und den Nahen Osten eingemischt. Seine Stimme, die nun verstummt ist, ist für uns ein unersetzbarer Verlust.
Was Dir verhasst ist, tu Deinem Nächsten nicht an.
Rabbi Hillel (zitiert im Buch von Rolf Verleger: Israels Irrweg. Eine jüdische Sicht)
Das Bündnis für Gerechtigkeit zwischen Israelis und Palästinensern e.V.
trauert um seinen Gründungsvorsitzenden
Prof. Dr. Rolf Verleger
Er hat authentisch und glaubwürdig ein humanistisches Judentum vertreten, das die Nazis in Deutschland fast vollständig vernichtet hatten und für dessen Fortexistenz er gekämpft hat.
Er ist ein Leuchtturm für alle Menschen, die nach einem gerechten Frieden in Israel/Palästina suchen.
Martin Breidert Ekkehart Drost Götz Schindler
Vorstand Bündnis für Gerechtigkeit zwischen Israelis und Palästinensern e.V. |
Rolf Verleger ist von uns gegangen – Unsere Mitglieder äußern sich dazu
13. November 2021
Liebe alle,
die Nachricht von Rolfs Tod erreichte mich gestern abend über unsere Liste und ich bin immer noch fassungslos, schockiert und traurig. Sein Mail von Ende Oktober verschwand unter meinen zahlreichen ungelesenen E-Mails und so war ich nicht darauf vorbeitet, dass er geht.
Ich lernte Rolf 2008 beim Limmud-Festival am Werbellinsee treffen. Er gab dort einen Workshop, der inaltlich Israel kritisierte (die Details sind mir entfallen) und an dem ich teilnahm. Ich erinnere mich nicht mehr an den Titel, aber ich erinnere mich sehr gut an die feindliche Stimmung, die Rolf in der kleinen Runde von Teilnemer_innen entgegenschlug, an die freundliche Vehemenz, mit der er Gegenargumenten und Angriffen aus den eigenen jüdischen Reihen begegnete. Ich erinnere mich auch sehr gut daran, wie müde er danach aussah und wie sich sein Gesicht aufhellte, als ich – die den ganzen Workshop über still geblieben war – danach, als der Raum sich leerte, zu ihm ging und mich bei ihm bedankte. Ich war damals mitten im emotional aufwühlenden Prozess des mich-Loslösens von den zionistischen Narrativen, mit denen ich aufgewachsen war und die für mich so selbstversändlich und unumstößlich und so verstrickt mit Jüdischsein waren. Rolf war der erste deutsche Jude, dem ich – noch dazu in einem (Mainstream) jüdischen Kontext – begegnete, der artikulierte, was ich fühlte. Der Kritik an Israel äußerte und dennoch bzw. genau deswegen sein Jüdischsein stolz behauptete. Diese erste Begegnung war rückblickend so wichtig und prägend für mich. Zu wissen, zu spüren, es gibt andere in Deutschland/Österreich sozialisierte Jüd*innen, die wie ich denken in Bezug auf Israel. Das bestärkte mich auf meinem Weg ungemein. Ich kaufte mir noch auf dem Festival sein Buch “Israels Irrweg” und verschlang es in den Tagen danach. An den Workshop in Werbellinsee denke ich auch deswegen noch öfter zurück, weil mir diese erste innerjüdische Konfrontation auch deutlich vor Augen führte, welchen Preis wir zahlen, wenn wir am zionistischen Statusquo in unseren Gemeinden und Gemeinschaften rütteln und diesen aufbrechen wollen: Entfremdung. Emotionale Distanz. Ausschluss. Das war in Rolfs Gesicht damals schon zu lesen. Und doch war und blieb er unermüdlich. Besonders beeindruckt hat mich persönlich über die Jahre auch, wie vergnügt Rolf oft in die Auseinanderstzung ging, ja, wie vergnügt und streitlustig im besten Sinne er auch angesichts von Diffamierungen blieb.
Zuletzt habe ich Rolf 2018 in Wien getroffen, zufällig an Simchat Torah. Er war seit Kurzem in Pension und voller Tatendrang – einerseits politisch, aber auch privat in seiner Rolle als Großvater, an der er sich sehr erfreute. Bei diesem Treffen schenkte er mir auch ein Exemplar seines Buches “Hundert Jahre Heimatland?” und schrieb mir eine Widmung mit den Worten “in Hoffnung auf eine goldene Zukunft für das Judentum”.
Er wird fehlen. Zichrono livracha.
Warme Grüße aus Wien,
Ruth-Orli Moshkovitz
………………………………………….
Für Rolf
Seinen Namen hörte ich zuerst an einem sonnigen Vormittag 2006, als das israelische Militär wieder in den Libanon eindrang. Ein Mitglied im Zentralrat der Juden habe gegen diese Aktion protestiert, hieß es, habe sie kritisiert. Zum ersten Mal. Das hat mich gewiss bestärkt, ein Plakat zu malen: Nicht in unserem Namen! Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost – Eine andere jüdische Stimme – und später loszuziehen, mich mit ein paar anderen auf den Steinplatz in Berlin hinzustellen, gegen die offizielle „Solidarität mit Israel“ Demonstration der Jüdischen Gemeinde, die nebenan stattfand. Das Gefühl, das ich damals hatte und als ich seinen Brief in der Zeitung las, war: Wir sind nicht allein. Endlich. Endlich hatte jemand im deutsch-jüdischen Establishment die verfahrene, zunehmend verbrecherische Politik des Staates Israel öffentlich kritisiert. Bis zu jenem Zeitpunkt – die Jüdische Stimme hatte sich 2003 gegründet und war noch nicht ein Verein – waren unsere Worte nur ein Ruf in der Wüste.
Als wir uns später kennenlernten – Rolf präsentierte die erste Fassung seiner Berlin-Erklärung – hielt ich den Atem an, als er von einigen Anwesenden gebeten wurde, bestimmte, für problematisch geachtete Sätze zu streichen. Er hat sie nicht gestrichen. Er stand zu seiner Erklärung und seinen Prinzipien. Sein Zitat von Hillel wiederholte er oft: Was dir unlieb ist, tue das deinem Nachbarn nicht an. Er blieb – trotz aller Angriffe von außen – bis zum Schluß sich selbst treu.
Er war wohl auch der einzige im deutsch-jüdischen Establishment bis heute, der den Mut gehabt hat, kontroverse, unangenehme Wahrheiten deutlich auszusprechen und dazu zu stehen.
Er wird uns sehr fehlen.
Ruth Fruchtman
………………………………………..
Rolf Verleger ist für immer von uns gegangen.
Selig sei sein Andenken, – in Würde hochgehalten.
Meine Gedanken sind bei Rolfs Ehefrau, Kindern und Enkeln
sowie bei seiner 96-jährigen Mutter.
Möge es Ihnen/Euch Trost spenden,
Rolf am nächsten gewesen und von ihm so geliebt worden zu sein.
Unsere Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost e. V. hat mit Rolf Verleger eine wichtige, in der Bundesrepublik Deutschland viel beachtete, allenthalben geschätzte Stimme in Sachen gerechter und lebbarer Frieden zwischen Israel und Palästina verloren.
Auch ich werde seine orientierenden Interventionen schmerzlich vermissen. Seine Gelassenheit und die – bei aller Freundlichkeit – in der Sache doch unmissverständlich klaren Worte, die er mit profundem historischen Wissen allseitig gut informiert in Solidarität mit dem palästinensischen und israelischen Widerstand gegen die Besatzung palästinensischer Territorien vorzubringen wusste; vor allem aber seine leidenschaftliche Positionierung gegen die Entrechtung der palästinensischen Bevölkerung – dort und ebenso innerhalb der international anerkannten Staatsgrenzen Israels -, werden unzähligen Menschen in Erinnerung bleiben.
Waren sie doch unverkennbar von seiner tiefen Sehnsucht nach Gerechtigkeit und Rechtsgleichheit getragen, nach Gleichwertigkeit von Mensch und Mensch, ungeachtet der nationalen Herkunft, Religionszugehörigkeit, Ethnie oder sozialen Stellung.
Eine wahrlich tiefe Sehnsucht, die Rolf bei Vorträgen oftmals mit der Zuhörerschaft teilte: “Ich wurde als zweiter Sohn meinem Vater, Ernst Verleger, geboren, der in Auschwitz seine erste Frau und drei Söhne sowie Eltern und fünf der sieben Geschwister verloren hatte und nach der Befreiung bald meine Mutter, Helga Verleger, heiratete, um eine Familie zu gründen und Nachkommen Leben und Liebe zu schenken.”
So übersetzte Rolf Verleger das “Nie Wieder!” von Buchenwald am Ende eines Vortrags oftmals in die Worte des altvorderen jüdischen Schriftgelehrten Hillel (ca. 30 vNZ):
„Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu.
Das ist die ganze Tora, alles andere ist Kommentierung.“
Rolf verstellte sich nie. Er wollte nicht nur Gerechtigkeit in der Welt. Es ging ihm gleichsam stets um Freundlichkeit und Respekt gegenüber Andersdenkende. Um menschene Nächstenliebe eben.
Fanny-Michaela Reisin Berlin, am 11. November 2021
……………………………………..
Liebe alle,
ja, das ist wirklich sehr schockierend und traurig!
Ich kannte ihn tatsächlich seit etwa 2006, also, wir haben uns damals gelegentlich unterhalten, kurz nach seiner Kritik am Libanon-Krieg, habe darauf auch irgendwann eines seiner Bücher für die Süddeutsche rezensiert.
Er war ein sehr konsequenter, zugleich eher besonnener Mensch, der auch unter Bezug auf seine Eltern und deren Tradition an seiner Haltung, die eben sich auch historisch-biografisch sich von einer zionistischen Tradition absetzte sich engagierte, wie er sich engagierte.
Eindrucksvoll, wie er auch angesichts des Sturms der Entrüstung, der ihn traf, seinen Weg fortsetzte.
Für mich mit meiner naiven Kinderseele immer auch nochmal schockierend zusätzlich, dass ein so aktiver Mensch so früh von der Welt gehen kann.
Da bleibt nur, sein ehrendes Andenken zu bewahren, seinen Familienmitgliedern alles Gute zu wünschen und gemeinsam gut füreinander im Leben zu sorgen und sich so wenig wie möglich zu zermürben.
Liebe Grüße,
Martin Forberg
…………………………………..
Erst im Nachhinein erfuhr ich nun, dass es mehr Übereinstimmungen zwischen uns gab, als ich es wahr genommen habe.
Er war sehr mutig und aufrecht und ich empfinde, dass diese Energie ähnlich in den Jüdischen Umwelt Aktivistin*nnen im Namen der Jüdischen Werte gegen den CEO von Black Rock in New York weiter wirken.
Gehe in Frieden, danke Rolf !
Ruth / Zuala Luschnat Quelle
Reaktionen zum Tode von Prof. Dr. Rolf Verleger bei Facebook >>>
Biographie von Rolf Verleger
Die Homepage von Prof. Dr. Rolf Verleger
Texte von Rolf Verleger im "Das Palästina Portal"
Resonaz auf Rolf Verleger
Rolf Verleger wird weiterleben
VIDEO - Rolf Verleger: Zionismus, Kolonialismus und die Entstehung Israels
weltnetz community channel - 4.09.2021
Prof. Dr. Rolf Verleger ist Vorsitzender des „Bündnis für Gerechtigkeit zwischen Israelis und Palästinensern“ und spricht in einer Zoom-Konferenz über “Zionismus, Kolonialismus und die Entstehung Israels“. Nach dem Vortrag beantwortet der Referent Fragen aus dem Zoom-Chat.
Zum Thema: Das Zarenreich war um 1900 das größte jüdische Zentrum der Welt. Von hier kamen: Zionismus, Orthodoxie, der „Arbeiterbund“, jüdische Sozialisten, Auswanderung nach Amerika und Europa - und der Antisemitismus, der auch in den Einwanderungsländern zunahm, vor allem in Deutschland. Die führende Weltmacht Großbritannien wählte sich 1917 den Zionismus als ein Hilfsmittel für die Gestaltung ihrer Herrschaftsansprüche. Und so schuf der Zionismus, entstanden im Zarenreich zur Emanzipation einer diskriminierten Minderheit als Gegenspieler sowohl der jüdischen Orthodoxie als auch der sozialistischen Bewegung, mit Diskriminierung der Palästinenser und Landraub an ihnen nicht mehr, sondern weniger Gerechtigkeit auf Erden.
Um das Video zu sehen, auf das Bild klicken
Rolf Verleger über Antisemitismus
:„Das ist doch kein Terrorangriff!“
Antisemit ist nicht, wer Israels Politik kritisiert, sagt Rolf Verleger, Psychologe aus Lübeck: Den Groll gegen die Juden befördert, wer jede Kritik unterbindet.
taz: Herr Verleger, wann wurde Ihnen erstmals Antisemitismus vorgeworfen?
Rolf Verleger: Das erste Mal, an das ich mich erinnere, war durch meine Großtante.
Weshalb?
Ich weiß nicht mehr, worum es genau ging. Aber irgendetwas Kritisches hatte ich als – ich weiß nicht, vermutlich 18-Jähriger – über Israel gesagt. Und das fand sie antisemitisch.
Ihre Kritik an Israel hat auch vor zehn Jahren zum Ausscheiden aus dem Direktorium des Zentralrats der Juden geführt. Nicht ganz freiwillig …
Das Direktorium ist die Delegiertenkonferenz der Landesverbände. Ich war damals Vorstand der Jüdischen Gemeinde Lübeck und auch Vorsitzender des schleswig-holsteinischen Landesverbands, weil ich mich wesentlich für dessen Aufbau und die Eigenständigkeit von der Hamburger Gemeinde engagiert hatte. Deshalb war ich von 2005 bis 2009 Delegierter beim Zentralrat, hatte dann aber schon 2006 einen offenen Brief zu Israels Gewaltpolitik geschrieben.
Das war kein Problem?
Mit den meisten kam ich gut aus. Man hat da so einmal im Vierteljahr eine Sitzung, und da waren manche unverhohlen freundlich, andere offen feindselig.
Und dann?
Der Tropfen, der bei der schleswig-holsteinischen Basis das Fass zum Überlaufen brachte, war, dass ich einen Vortrag beim Jahrestreffen der Muslimischen Jugend Deutschlands hielt. Das war zu viel! „Bei den Muslimen: Das ist Verrat!“ Da wurde ich abgewählt. mehr >>>
VIDEO - Interview mit Rolf Verlege
4 min - 07.08.2014
Anti-israelische Proteste
„Wer hat uns das denn eingebrockt?“
Rolf Verleger, ehemaliges Direktoriums-Mitglied im Zentralrat der Juden in Deutschland, wundert sich nicht über die neue Welle des Antisemitismus im Land. Im Deutschlandfunk warf er Repräsentanten des Judentums vor, jede Kritik an Israel als antisemitisch zu erklären. Es müsse erlaubt sein, die israelische Politik zu kritisieren.
Rolf Verleger im Gespräch mit Tobias Armbrüster - 22.07.2014
Rolf Verleger, ehemaliges Direktoriums-Mitglied im Zentralrat der Juden, äußerte sich im Deutschlandfunk kritisch zur israelischen Politik gegenüber den Palästinensern. Er selber wolle am Mittwoch an einer Demonstration gegen „das Massaker der Israelis in Gaza“ teilnehmen, sagte Verleger. Der Zentralrat der Juden in Deutschland hatte sich gestern über eine neue Welle des Judenhasses in Deutschland beklagt. Rolf Verleger sieht diese Einlassung kritisch. Im Deutschlandfunk sagte er: „Wer hat uns das denn eingebrockt?“ Wenn Politiker und Medien in Deutschland Israels Politik für richtig hielten und Repräsentanten des Judentums jede Kritik an Israel zur Kritik an Juden erklärten, fordere man antisemitische Parolen geradezu heraus. Man könne ja „nicht jeden Quatsch, den Israel da macht, mitmachen“. mehr >>>
Bücher von Rolf Verleger
Um mehr über die Bücher zu erfahren, auf das jeweilige Bild klicken
Aufsätze von Rolf Verleger
Zu Vorurteilen gegen Muslime und Juden
Über Judentum
Zur Meinungsfreiheit
Zur aktuellen Lage in Israel/Palästina
Zur Geschichte des Palästinakonflikts
Zum Zentralrat der Juden in Deutschland
Zu Politik allgemein
|