Das Ziel? Judaisierung. Das
bedeutet? Eine Militärübung mitten im Dorf
Palestine Update Nr.444 - 10. Feb.
2021
Als die Bewohner von Jinbeh warteten, dass
der Oberste Gerichtshof über ihr Schicksal bestimmen sollte,
beschloss die israelische Armee, eine umfangreiche Übung direkt
mitten in ihrem Dorf abzuhalten.
„1980 erklärte die israelische Armee das
Gebiet zur „Feuerzone 918“, obwohl dort 12 palästinensische
Dörfer, darunter Jinbeh, dort lebten, lange bevor Israel 1948
gegründet wurde. Ziel der Armee: Vertreibung der
palästinensischen Bewohner.
Ali sagte, er habe vier Brüder, alle aber
haben Jinbeh während des letzten Jahrzehnts verlassen. „Sie
alle“, bemerkte er, „verließen ihren Geburtsort wegen der
Praktiken Israels, wegen der „Feuerzone“. Und er erklärte, dass
die Armee sie daran hindere, die Straßen zu pflastern, und sie
verweigerten ihnen Baugenehmigungen, oder sich an die
Wasserversorgung und Elektrizität anzuschließen. Jinbeh ist
eines von mehr als 200 palästinensischen Dörfern in Areal C der
besetzten Westbank, über die das israelische Militär volle
Kontrolle hat, und wo diese Baugenehmigungen systematisch
verweigert – obwohl das Land privater Besitz der Bewohner ist.
Die Armee behält nur die alten Steinhäuser im
Dorf, wie das von Ali – die anderen, die Klinik, die Schule, das
Fußballfeld – können jederzeit zerstört werden. Es ist eine
Gewaltpolitik, ein Weg, die Menschen zu erpressen, ihr privates
Land zu verlassen. Daher hat die Armee dieses Areal auch zur
„Feuerzone“ deklariert, obwohl es dieses sehr selten für ein
Training benutzt. 1999, unter der Führung von Premierminister
Ehud Barak, erließ Israel Evakuierungsbefehle für die Bewohner
von Jinbeh und der anderen Dörfer in der Umgebung unter dem
Vorwand, sie wohnten in einer Feuerzone. Aber das Ziel der
Judaisierung des Gebietes kann auf den Allon-Plan von1967
zurückverfolgt werden, der vom Labour-Minister Yigal Allon
geschaffen wurde. Das war der Masterplan der Labour-Party für
den Siedlungsbau in den besetzten palästinensischen Gebieten.“
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Die strategischen
Konstruktionspläne in Jerusalem:
Wird die Biden-Administration einlenken?
„Die Frage der Errichtung von zwei neuen
jüdischen Nachbarschaften in Jerusalem – Givat Hamatos im Süden
der City und Atarot im Norden – beide jenseits der Grünen Linie
in „Ost-jerusalem“ – liegt nun auf dem Tisch als Teil der
Kontakte mit der neuen Administration in Washington, D.C., und
als Teil des inneren israelischen politischen Ritts vor den 24.
Knesset-wahlen.
Die beiden Pläne von Givat Hamatos und Atarot werden als
strategische Pläne definiert, die einen bedeutenden Einfluss auf
die zukünftigen Grenzen von Jerusalem haben werden:
Aus israelischer Perspektive ist der Bau von Givat Hamatos einer
der Schlüssel für die Verhinderung der Abtrennung von Jerusalem
vom Süden und blockiert einen palästinensischen Keil, der den
Übergang zwischen den Nachbarschaften Gilo und Har Homa im Süden
von Jerusalem durchschneidet …
Atarot ist auch ein Vorort von großer Wichtigkeit für die
Grenzen der israelischen Hauptstadt.
Die Einrichtung dieser Nachbarschaften wird fast sicher darüber
entscheiden, ob Jerusalems „Nordfinger“ ein Teil der
israelisch-jüdischen Besiedlung in Jerusalem bleiben wird, oder
ob die Palästinenser diesen kontrollieren und sogar die
Souveränität von Jerusalem abschneiden werden, was sie
erklärterweise anstreben zu Gunsten ihres Traumes nach einem
palästinensischen Staat.
(Weiterlesen ..)
ICC Israelische
Kriegsverbrechensuntersuchung ist erster echter Test für
Biden-Administration
„Wie immer beginnt Israels Forderung nach
Straflosigkeit im Weißen Haus. Und während Netanyahus
Sprachrohre unermüdlich die Biden-Administration als
„anti-israelisch“ beschimpft haben, und dabei nur vier
Mitglieder mit einigen arabischen Wurzeln gemeint haben, wenden
sich die gleichen pro-israelischen Megaphone jetzt an Biden,
damit er Israel abschirmen möge gegen die Untersuchungen des
Internationalen Strafgerichtshofes (ICC).
Ein älterer pro-israelischer Lobbyist sprach aus, dass das
Unterminieren des Völkerrechts zum Vorteil von Israel der ‚wahre
Test für die Partnerschaft der USA mit Israel‘ sei.
Biden’s Administration sieht jede Internationalisierung des
Israel/Palästina-Konflikts, wie den Anruf des ICC als einen
Versuch, die Existenz Israels zu delegitimieren, und stellt sich
deshalb dagegen, wie ein früherer US-Botschafter für Israel mir
kürzlich erzählt hat.
Am vergangenen Freitag drückte das US-State-Department seinen
Widerstand gegen die Entscheidung des Internationalen
Gerichtshofes über Israel aus und begrüßte zugleich, dass „wir
die Ziele des ICC teilen“.
Dieses geschah gerade einen Tag nachdem die USA das Urteil des
ICC gegen einen Kriegsverbrecher aus Uganda begrüßt hatten.
Unklar ist jedoch, ob Biden dieser rhetorischen Opposition in Praxis und
Strafaktionen gegen den ICC und die Palästinenser für eine
Untersuchung folgen, oder ob seine Administration eine
Einstellung zu den Untersuchungen durch den ICC ähnlich ihrer
Einstellung zu BDS einnehmen würde, d.h. diese verdächtigen ohne
ihr Engagement und ihre Bestrebungen formell schlecht zu machen.
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Die Palästinenser begrüßen das
Ende des Drucks durch USA: Zweifel, ob Biden Israel unter Druck
setzen wird.
Palästinensische Offizielle stießen einen
Seufzer der Erleichterung aus, als Joe Biden seinen Amtseid
ablegte. Der Sprecher der palästinensischen Regierung (PA)
Ibrahim Melhem sagte, Präsident Mahmoud Abbas und
Premierminister Mohammad Shtayyed begrüßten die Ankündigungen
der obersten Beamten der Biden Administration, einige von Donald
Trump’s anti-palästinensischen Entscheidungen umzukehren. Er
sagte, die Bewegungen der neuen Administration befürworteten die
Unterstützung der USA für die Zweistaatenlösung und die
Notwendigkeit, die Verhandlungen zwischen Israel und Palästina
wieder aufzunehmen. Trotz der optimistischen Wörter von Biden
ist es unklar, ob oder nicht es substantielle Veränderungen in
der US-Außenpolitik in Bezug auf Palästina/Israel geben wird.
Khalil Assali, in
Jerusalem ansässiger Politikanalytiker, sagte, die
Wiederaufnahme von Bemühungen im Jerusalemer Konsulat in der
Agron-Straße wird die Zusammenarbeit von USA und den
Palästinensern wieder aufleben lassen. „Die Übersiedlung der
Botschaft der USA von Tel Aviv nach Jerusalem und die Existenz
des miserabelsten US-Botschafters für
palästinensisch-amerikanische Beziehungen hat den kompletten
Stillstand der Gespräche verursacht. So wird sicher die
Wiederöffnung einer Mission in Jerusalem, die den Palästinensern
zugeordnet ist, sowohl geheime wie auch öffentliche Treffen auf
politischer Stufe, wie auch in wirtschaftlichen und
Entwicklungsfragen neu beleben“, sagte Assali.
Trotz der
öffentlichen Stellungnahme, in der Veränderungen in USA begrüßt
wurden, sagen die Palästinenser, es sei unklar, ob die
Biden-Administration alle Entscheidungen umwerfen werde, oder ob
es Bedingungen zu dem Thema der Rückkehr des palästinensischen
Büros in Washington und der US-Mission in Ostjerusalem geben
wird. Palästinensische Beamte machen sich Sorgen, ob sie zu der
früheren Version zurückkehren müssen, in der der Status des
Büros in Washington alle sechs Monate überprüft werden soll als
ein Teil der Kongress-Legislation über Anti-Terrorismus. Auch
ist es unklar, wie die US-Mission in Ostjerusalem arbeiten wird,
weil die Biden-Administration verfügt hat, sie werde die
Entscheidung Trump’s nicht umdrehen, die US-Botschaft nach
Jerusalem zu bringen.
Lesen Sie weiter)
Das Nichtreagieren des ICC lässt die Gewalt der
israelischen Okkupation zu
Mehr als 3.600
Palästinenser wurden seit 2009 durch israelische
Besatzungskräfte getötet, und weitere 100.000 verletzt, dem
Jahr, in dem das Internationale Höchstgericht (ICC) seine erste
vorläufige Überprüfung der Situation in Palästina durchgeführt
hat. Palästinensische Menschenrechts-Gruppen sagen, dass die
„Intensivierung“ der Okkupation sofortige Aktion durch den ICC
verlange. Die Dringlichkeit ist „außerdem notwendig geworden
durch die Intensivierung der Unterstützung der USA“ für Israels
Siedlungsbau und Intentionen, besetztes Gebiet formell zu
annektieren.
Gerade vor einem
Jahr stellte Fatou Bensouda, die Chef-Anklägerin des ICC fest,
dass Kriterien für die Untersuchung von Kriegsverbrechen in der
besetzten Westbank und im Gazastreifen erstellt wurden. Sie wies
hin auf Israels illegale Umsiedlung seiner Zivil-bevölkerung in
Westbanksiedlungen als Beispiel für einen potentiellen Fall von
Kriegsverbrechen, der sich aus einer Untersuchung in Palästina
ergeben hat. Trotz der Illegalität, dass die israelischen
Siedlungen nach den Worten von UNO-Spezialberichterstatter
Michael Lynk „ein offener und geschlossener Fall“ sind, hat
Bensouda noch keine Untersuchung eröffnet, obwohl es in ihrer
Macht steht, dieses zu tun. Stattdessen ersuchte sie um eine
Verfügung durch die Rechtsprechung des Gerichtshofes, die
Situation von Palästina einem Richterkollegium vorzustellen,
welche derzeit im Laufen ist. Der unendlich – langsame - Schritt
der Verfahren des Gerichtshofes entspricht kaum der
Dringlichkeit der Situation vor Ort.
Die israelische
Gruppe Yesh Din hat dutzende Vorfälle bestätigt, bei denen
Siedler Palästinenser im vergangenen Monat in der Westbank
angegriffen haben. Zu diesen Angriffen gehören die Blockade von
wichtigen Kreuzungen der Haupt-Autobahn in der Westbank durch
Siedler und das Werfen von Steinen auf palästinensische
Fahrzeuge. Von anderen Fällen berichtet Levy in Haaretz, dass
„Siedler in palästinensische Gemeinden eingefallen sind, Steine
auf Menschen und Häuser geworfen und Autos angezündet haben“.
Siedler attackierten auch palästinensische Bauern, die auf ihrem
Land arbeiteten. Viele dieser Ereignisse wurden auf Video oder
durch Fotos dokumentiert. In diesen Dokumenten wird gezeigt, wie
Soldaten passiv danebenstehen und nichts tun, um in die Gewalt
einzugreifen. Soldaten haben gegenüber „Breaking the Silence“
einer Gruppe von israelischen Veteranen, die gegenüber der
Okkupation kritisch sind, erklärt, dass sie nicht autorisiert
sind, die Siedler festzuhalten oder zu arretieren.
Al-Haq, die
Rechtsgruppe, dokumentierte 68 Vorfälle von Siedlergewalt gegen
Palästinenser und ihr Eigentum in der Westbank zwischen Juli und
Oktober 2020. In vielen dieser Fälle unterließen israelische
Soldaten, die Siedler an ihrem Tun zu hindern und übten
stattdessen Gewalt auf ihre palästinensischen Opfer aus. Unter
dem Schutz durch das Militär werden Siedler gewalttätig, um die
Arbeit der Palästinenser auf ihren Feldern zu verhindern.
(Lesen
Sie den ganzen Bericht)
Boykotts sind legitime Werkzeuge, um gegen
Ungerechtigkeit zu protestieren.
1966 wurde die
Coca-Cola-Gruppe beschuldigt, sich zu weigern, in Israel
Geschäfte zu machen. Die Klage war von der pro-israelischen
Lobbygruppe „Anti-Defamation-League“ gekommen, und bald darauf
erfuhr die Getränkefirma heftige Boykott-Aktionen in ihrem
eigenen Land. Zu einem späteren Zeitpunkt im gleichen Jahr
verlor Coca-Cola die Konzession in Israel, vermutlich aus Angst
vor Rückwirkungen durch einen Boykott in ihrem Heimatland. Das
führte zum Boykott der Firma durch arabischen Staaten.
Wirtschaftliche
Boykotts wurden in den USA im vergangenen Jahrhundert zu einem
allgemeinen und wirksamen Mittel für Protest, und die Amerikaner
sahen es mit Recht als einen zivilen und demokratischen Weg zur
Ausübung von gewaltlosem Druck, um politische Veränderungen zu
bewirken. Bereits 1933 antworteten viele Amerikaner auf frühe
Zeichen der antisemitischen Kampagne gegen europäische Juden mit
Aufrufen des Amerikanischen Jüdischen Kongresses und anderer
Gruppen zum internationalen Boykott von Nazi-Deutschland, der
von Juden in aller Welt mitgetragen wurde.
Die Tendenz,
Zuflucht zu nehmen zu wirtschaftlichem und politischem Boykott
wurde in den letzten Jahren in USA zum Kennzeichen der
pro-Israel Lobby, wo die geringste Abweichung von der Narrative
der israelischen Regierung oft Grund geboten hat, als
„antisemitisch“ abgestempelt zu werde. (Lesen Sie
weiter …)
Parlamentarier in UK fordern Israel auf,
mit Enteignungen in Ostjerusalem aufzuhören.
Mehr als 80
britische Parlamentarier, die für alle Parteien sowohl im House
of Commons wie auch im House of Lords standen, schrieben in
einem Brief an den britischen Außenminister, Dominic Raab, dass
die britische Regierung alles in ihrer Macht Stehende tun müsse,
um die Massen- und die gewaltsamen Vertreibungen und
Enteignungen palästinensischer Familien in Jerusalem zu
verhindern.
Rund 200 Familien
in Sheikh Jarrah und Silwan sind in Gefahr, enteignet zu werden
nach einem Rechtsstreit, der von Siedlergesellschaften gegen sie
vorgetragen wird. Britische Gesetzesmacher haben klar gemacht,
dass diese Vertreibungen – einige davon wurden bereits
durchgeführt – eine Verletzung des Völkerrechts sind, und dass
es die Aufgabe der Briten ist, sicher zu stellen, dass dieses
nicht passieren darf.
(Lesen Sie den ganzen Text.)
Quelle Update
übersetzt von Gerhilde Merz
„Es mag Zeiten geben, in denen wir ohne Macht sind,
Ungerechtigkeit zu vermeiden,
aber es darf niemals eine Zeit geben, in der wir zu protestieren
vermeiden.
Ranjan Solomon |
Eine jugendgeführte palästinensische
Protestbewegung erschüttert die Hügel südlich von Jerusalem
Der Aktivist Sami Huraini, 23, ist einer der Koordinatoren einer
Jugendgruppe im Westjordanland, die wöchentlich demonstriert.
Seine Familiengeschichte des gewaltlosen Protests hat einige
unwahrscheinliche Siege hervorgebracht
Jonathan Shamir Nicolas Rouger - Feb. 23, 2021
Der
palästinensische Jurastudent Sami Huraini ist jeden Freitag auf
der Polizeiwache in Kiryat Arba anzutreffen. Die
Kautionsbedingungen des 23-jährigen Aktivisten sehen vor, dass
er hier, in der israelischen Siedlung am Rande von Hebron,
wöchentlich von 8.30 Uhr bis 15 Uhr erscheinen muss.
Normalerweise nimmt Huraini zu dieser Zeit an der wöchentlichen
Demonstration nach dem Gebet in oder in der Nähe seines Dorfes
At-Tuwani im Westjordanland teil, um gegen die Besatzung und die
Zunahme von Hauszerstörungen durch die israelischen
Militärbehörden in diesem wüstenähnlichen Gebiet in den
südlichen Hebron-Hügeln zu protestieren.
"Sie wollen mich davon abhalten, an einer Demonstration
teilzunehmen, und sie wollen mich als Beispiel benutzen, um
andere Aktivisten abzuschrecken", sagt Huraini über die
Kautionsbedingungen, die mindestens bis zu seiner nächsten
Gerichtsanhörung am 1. März gelten werden.
Wenn er bei der Teilnahme an einer Demonstration entdeckt wird,
wird er seine Kaution von 10.000 Schekel (etwa 3.000 Dollar)
einbüßen - das entspricht zweieinhalb Monatsgehältern seines
Vaters. "Selbst wenn ich die Straße hinuntergehe und es einen
Protest gibt, könnten sie mich verhaften", sagt Huraini. Wenn
ein israelisches Militärgericht Grund zu der Annahme hat, dass
er geholfen hat, einen Protest zu organisieren, muss er außerdem
weitere 30.000 Schekel abgeben (die sein Vater und andere
Aktivisten als Sicherheit hinterlegt haben). "Es ist nicht
einfach," sagte Huraini in einem Telefoninterview mit Haaretz
nach seiner Freilassung. "Ich will nicht aufhören."
Als Koordinator der Jugend von Sumud, einem Kollektiv von 30
jungen Aktivisten aus At-Tuwani und benachbarten Dörfern, ist
Huraini eine der zentralen Figuren in den lokalen Versuchen, dem
entgegenzuwirken, was sie als den ständig wachsenden Einfluss
der israelischen Besatzung sehen, und die Einheimischen zu
inspirieren, angesichts des wachsenden Drucks auf ihrem Land zu
bleiben.
Die Demonstration in der Nähe von al-Rakiz, 8. Januar 2021.
Kredit: Ori Givati
Huraini
ist angeklagt wegen Ruhestörung, Angriff auf einen israelischen
Soldaten und Verletzung eines Befehls zur Sperrung einer
Militärzone während einer nicht genehmigten Demonstration am 8.
Januar in der Nähe des benachbarten Dorfes Al-Rakeez. Laut einem
Bericht der Association for Civil Rights in Israel, der ältesten
Menschenrechtsorganisation des Landes, wird die Verhängung von
geschlossenen Militärzonen überwiegend als "Werkzeug zur
Unterdrückung von Protesten in der Westbank" eingesetzt. Auch
Huraini sieht die Rechtfertigung als "Vorwand". Zu diesem
Zeitpunkt protestierten 200 palästinensische, israelische und
internationale Aktivisten gegen die Erschießung von Harun Abu
Aram, 24, durch israelische Soldaten in der Woche zuvor.
Fünfzehn israelische Soldaten kamen in der gleichen Nacht zu
Hurainis Haus, sagt er. "Hast du ein Messer?", erinnert er sich,
dass sie fragten. "Sie zogen mich aus dem Bett und fragten mich,
ob ich ein Messer habe?", antwortete er. Mit verbundenen Augen
und in Handschellen wurde er von einem Militärstützpunkt zum
anderen gefahren, bis er um 4 Uhr morgens zum Verhör auf die
Polizeistation von Kiryat Arba gebracht wurde. Um 9 Uhr morgens
wurde er ins Gefängnis von Gush Etzion eskortiert, wo er sechs
Tage lang blieb, während sein Gerichtstermin immer wieder
verschoben wurde, wie er erzählt.
Trotz seines Alters ist dies bei weitem nicht das erste Mal,
dass Huraini mit den israelischen Behörden in Konflikt geraten
ist. Tatsächlich weiß er, dass er, genau wie sein Vater Hafez
und seine Großmutter Fatima vor ihm, eine solche Behandlung
erwarten kann, solange er weiter protestiert.
Kaum mehr als 300
Menschen leben in At-Tuwani, einer kleinen Ansammlung von
Betonhäusern, die sich an einen felsigen Hügel südlich von
Hebron schmiegen. Aber die Schule, die Klinik und die Moschee
haben es zu einer Art Zentrum für die kleinen Gemeinden gemacht,
die sich in den umliegenden Hügeln befinden. Die Hurainis zogen
1948 aus der Nähe der Stadt Arad dorthin, etwa 20 Kilometer
Luftlinie südlich und auf der anderen Seite der
Waffenstillstandslinie, die die international anerkannten
Grenzen Israels markiert. Auf der Flucht vor den Kämpfen im
Unabhängigkeitskrieg kauften sie Land von Leuten in der nahe
gelegenen Stadt Yatta und machten so weiter, wie sie es immer
getan hatten: Landwirtschaft und Schafzucht.
Im Jahr 1981
änderte sich alles. Das israelische Militär errichtete den
Außenposten Ma'on, einen Steinwurf von At-Tuwani entfernt, für
eine Gruppe von Nahal, einer Einheit der israelischen Armee, die
Militärdienst mit Landwirtschaft kombinierte, und ein Jahr
später wurde daraus eine Siedlung. Im Jahr 2001 bauten radikale
Siedler eine nicht anerkannte Erweiterung, bekannt als Havat
Ma'on, näher an At-Tuwani.
In den letzten 30 Jahren durfte sich At-Tuwani kaum ausdehnen,
und die manikürte Siedlung übertrifft es jetzt mit fast 600
Einwohnern. Gerade wurde ein neues Viertel gebaut, mit Blick auf
Kirschplantagen, die sanft in das kleine Tal zwischen den beiden
Hügeln abfallen. "Das war das Land meiner Familie", sagt Sami
Huraini.
Fatima Huraini, Samis Großmutter, ist weit in ihren Achtzigern.
Schon als die Siedlung noch in den Kinderschuhen steckte, war
Gewalt an der Tagesordnung. Sie wurde oft von Siedlern
angegriffen, während sie ihre Schafe weidete. Sie wurde auch von
der Armee geschlagen und hat einmal ihr Gehör verloren, sagt
Sameeha Huraini, Samis jüngere Schwester. Dennoch blieb sie an
Ort und Stelle, in einer Darstellung dessen, was Palästinenser
sumud ("Standhaftigkeit" auf Arabisch) nennen - ein zentrales
Konzept in der lokalen Geschichte des Aktivismus. Ihr Sohn
Hafez, jetzt in den Fünfzigern, wurde ebenfalls zu einem
prominenten, populären Widerstandsaktivisten in der Westbank und
besonders in den südlichen Hebron-Hügeln. Auch er war
nächtlichen Razzien und Verhaftungen ausgesetzt, erzählt Sameeha.
"Ich bin in diesem Kontext aufgewachsen, ich wurde mit diesen
Prinzipien erzogen", sagt Sami Huraini. "Es hat mich gelehrt,
Glauben zu haben und mich für Gewaltlosigkeit als einen
effektiven und einflussreichen Weg zu Frieden und Gerechtigkeit
einzusetzen." Im Jahr 2017 gründeten die Huraini-Kinder und
einige ihrer Freunde die Organisation Youth of Sumud. Sie
praktizieren "friedlichen Volkswiderstand als strategische Wahl,
um die israelische Besatzung zu beenden", erklärt Sami, obwohl
ihr unmittelbares Ziel eher prosaisch ist: "Die IDF benutzt
Gewalt als Vorwand, um Häuser abzureißen. Wir praktizieren
direkte Aktionen, um den Plan zu zerstören, uns das Land
wegzunehmen", sagt er.
Die
kleine Aktivistenbewegung entstand während des Sumud Freedom
Camps, bei dem palästinensische, israelische und internationale
Aktivisten Höhlen im nahegelegenen Dorf Sarura besetzten, um die
ursprünglichen Bewohner zurückzuholen, die, wie sie sagten,
durch regelmäßige Siedlerangriffe verjagt worden waren.
Die Höhlen sind immer noch ein Hauptanliegen, aber die Jugend
von Sumud engagiert sich jetzt auch in anderen Aktivitäten -
einschließlich der Dokumentation von Siedlergewalt und
Armeeabrissen, der Bereitstellung einer schützenden Präsenz auf
Schulwegen und während der Erntezeit, und der Veranstaltung von
Workshops und Vorträgen über gewaltfreie Theorie und Praxis.
Laut der israelischen Menschenrechtsgruppe B'Tselem sind die
südlichen Hebron-Hügel von besonderem strategischem Interesse
für Israel, da sie nur dünn besiedelt sind und eine territoriale
Verbindung mit dem Negev im Süden haben. Es ist auch ein
biblisches Kernland, ein Ort, an dem fromme jüdische Siedler ein
verjüngendes Gefühl der Zugehörigkeit empfinden könnten. Haaretz
wandte sich an den Regionalrat von Har Hebron, in dessen
Zuständigkeitsbereich Ma'on fällt, und an Einzelpersonen aus der
Gemeinde, um diese Beweggründe zu verstehen. Sie waren jedoch
nicht bereit, auf Fragen zu antworten.
Das Wüstenklima hier bedeutet, dass es hier verstreute
palästinensische Enklaven gibt, die sich oft mit den
Jahreszeiten oder dem Wetter verändern. Im Laufe der Zeit hat
dies dazu geführt, dass die Gemeinden zunehmend isoliert sind,
zumal sie ihre Entwicklung durch das Fehlen wichtiger
Infrastrukturen, die Unmöglichkeit, Baugenehmigungen zu
erhalten, und die, wie sie sagen, ständigen Schikanen sowohl von
israelischen Zivilisten als auch vom Militär eingeschränkt
sehen.
Dennoch sagt Michael Carpenter, ein Forscher an der kanadischen
Universität von Victoria, der sich auf zivilen Widerstand
spezialisiert hat, dass die Bewohner von At-Tuwani auf einige
"kleine Siege" verweisen können. Zum Beispiel ist es eines der
wenigen palästinensischen Dörfer mit einem "Masterplan" von
Israel, der es den Bewohnern erlaubt, auf ihrem Land zu bauen;
sie haben es geschafft, sich an die Wasserversorgung
anzuschließen, was ebenfalls ungewöhnlich ist; und 2006, nachdem
der Staat Israel eine meterhohe Mauer entlang der Route 317
gebaut hatte, die die südlichen Hebron-Hügel von anderen Teilen
der Westbank abschnitt, schlossen sich die lokalen Dörfer
zusammen und begannen zwei Jahre lang wöchentlich zu
demonstrieren - bis der Abschnitt der Sperre schließlich
entfernt wurde.
Im Gegensatz zu anderen Formen des Widerstands "schaffen
anhaltende Proteste einen Raum für politischen Aktivismus ...
und haben die Anziehungskraft, lokal und transnational
Unterstützung aufzubauen, was entscheidend ist", sagt Carpenter.
"Israelische Soldaten und Kommandanten haben gesagt, dass
Kameras ihr Kryptonit sind", sagt er und bezieht sich dabei auf
die Dokumentation von nicht-militarisiertem Protest.
Er weist auch auf die einzigartigen Umstände des Protests in
Area C hin, dem Teil des Westjordanlandes, der vollständig unter
israelischer Kontrolle steht: "Wo die Palästinensische
Autonomiebehörde ist, ist der Volkswiderstand nicht", sagt
Carpenter. "Die palästinensische Polizei, aber auch die
palästinensische Infrastruktur, wirken als befriedende
Faktoren."
Der
Preis der Gewaltlosigkeit - Das Gefängnis in Gush Etzion ist
"besonders schlimm", sagte der örtliche Aktivist Basil Adra
gegenüber Haaretz, während Huraini dort inhaftiert war. Nach
seiner Freilassung stimmt Huraini dem zu. Ihm wurde nur einmal
während seiner sechs Tage im Gefängnis erlaubt, mit seiner
Familie zu sprechen. Draußen gab es jedoch Unterstützung für
ihn. Als sein Gerichtstermin immer weiter nach hinten verschoben
wurde, demonstrierten palästinensische und israelische
Unterstützer täglich vor dem Gefängnis.
Das Haus der Familie Huraini in At-Tuwani, in den südlichen
Hebron-Hügeln. Die Familie kaufte das Land 1948 auf der Flucht
vor dem Krieg in der Nähe von Arad. Kredit: Jonathan Shamir
Zur Erklärung von Hurainis Verhaftung und Anklage sagten die
Israelischen Verteidigungsstreitkräfte gegenüber Haaretz, dass
er "an einem Protest teilgenommen hat, bei dem er Gewalt gegen
Soldaten anwendete und andere Demonstranten ermutigte, dasselbe
zu tun und nicht auf die Befehle der Soldaten zu hören. Die IDF
nimmt jeden Fall von Gewalt gegen ihre Soldaten ernst und wird
handeln, um diejenigen, die solche Gewalt anwenden, zur
Verantwortung zu ziehen."
Abgesehen von Zeugenaussagen von Sicherheitskräften hat die
Staatsanwaltschaft keine Beweise dafür vorgelegt, dass Huraini
die Gewalttaten, für die er angeklagt wurde, ausgeführt hat.
Israelische Soldaten sind deutlich zu sehen, wie sie während des
Vorfalls am 8. Januar Körperkameras tragen, aber es wurde kein
Filmmaterial zur Verfügung gestellt, wie es oft der Fall ist.
Auf Nachfrage von Haaretz wollte das israelische Militär dazu
keine Auskunft geben.
Nach Angaben mehrerer Augenzeugen sowie Aufnahmen von der
Demonstration verlief der Protest überwiegend friedlich. "Wir
protestierten friedlich mit internationalen und israelischen
Aktivisten: skandierend, trommelnd und Fahnen schwenkend", sagte
Adra.
Fünf Israelis, die an der Demonstration teilnahmen, reichten
sogar eine eidesstattliche Erklärung für Hurainis
Gerichtsverhandlung ein. Bezüglich des Vorwurfs, Huraini habe
gegen einen militärischen Schließungsbefehl verstoßen, sagten
die Aktivistinnen Oriel Eisner und Renana Na'aman, die auch bei
der Polizei aussagten, dass den Demonstranten kein militärischer
Schließungsbefehl vorgelegt wurde.
Eine weitere anwesende Aktivistin, Karen Isaacs, sah sich
ebenfalls gezwungen, eine eidesstattliche Erklärung abzugeben.
"Die Kluft zwischen den Anschuldigungen und der Realität in
diesem Fall fühlte sich einfach so enorm an, und ich wollte
meinen Teil dazu beitragen als jemand, der während der
Demonstration anwesend und in der Nähe von Sami war", erklärte
sie. "Ich hätte gesehen, wenn er jemanden angegriffen hätte, und
das hat er sicher nicht getan", sagte sie.
Hurainis Anwältin, Gaby Lasky, sagte, dass die Tatsache, dass
die Armee ihren Mandanten festgenommen hat und eine Anklage
gegen ihn wegen des Angriffs auf Soldaten eingereicht wurde,
trotz der zahlreichen Zeugenaussagen von Israelis, die mit ihm
am Tatort waren, zeigt den Versuch der Strafverfolgungsbehörden
in den Gebieten, nicht nur Protest und Kritik gegen die illegale
Erschießung [von Harun Abu Aram] zum Schweigen zu bringen,
sondern auch das Lebensgefüge der Dorfbewohner schwer zu
beschädigen."
Verlockung zu gehen - Die Versuchung für die Einheimischen,
At-Tuwani zu verlassen, ist enorm. Huraini braucht zum Beispiel
mehr als 90 Minuten, um die Universität von Hebron zu erreichen,
obwohl es nur eine 30-minütige Fahrt mit dem Siedler-Bus von
Ma'on aus ist.
Während eines Besuchs in dem Dorf im letzten November begleitete
Haaretz Huraini bei einer der regelmäßigen Aktivitäten von Youth
of Sumud: Schulkinder nach Hause in das nahe gelegene Dorf Tuba
zu begleiten. Der halbstündige Weg führt durch Ma'on, und seit
2004 stellt die IDF eine bewaffnete Eskorte, um Angriffe von
Siedlern zu verhindern. Wenn die IDF nicht auftaucht, müssen die
Aktivisten die Kinder selbst eskortieren, unter erheblichem
Risiko. Internationale Aktivisten kommen oft in regelmäßigen
Abständen dazu, aber während der Pandemie ist das keine Option.
Die palästinensischen Kinder auf dem Heimweg von der Schule in
At-Tuwani nach Tuba. Kredit: Nicolas Rouger
Nachdem wir fast eine Stunde gewartet hatten, sahen wir
schließlich einen weißen gepanzerten Lieferwagen der IDF den
Hügel hinauffahren. Die Soldaten stiegen nicht aus, und die
kleine Gruppe begann zu laufen. Eines der Mädchen, Shuruq, die
einen weißen Schleier trug, ging zügig an der Spitze der Gruppe.
Ein Jahr zuvor war sie von einem Stein am Kopf getroffen worden
und musste ins Krankenhaus. "Viele von ihnen verlassen die
Schule", erzählte uns Huraini.
Auch Huraini selbst wurde von Siedlern mit einem Geländewagen
angegriffen. Er zeigt uns Filmmaterial von dem Vorfall, aber es
ist körnig. Er spult zurück und lässt es uns noch einmal
anschauen, als ob wir ihm nicht glauben würden. Obwohl er
Anzeige erstattet hat und sagt, er könne die Angreifer
identifizieren, sagt er, die Polizei habe sich nie bei ihm
gemeldet.
Auf unserem Rückweg durch denselben Weg fuhr ein weißer Pick-up
vorbei. Darin saß ein glatzköpfiger Mann mit Sonnenbrille, der
uns mit einer Kamera aufnahm. Einen Monat später wurde Huraini
zur Polizeistation in Kiryat Arba vorgeladen und verhört. Er sei
"mit vier Freunden" auf Ma'ons Land eingedrungen, sagte ihm ein
Beamter, und es gäbe Videobeweise. Sie waren offenbar nur an ihm
interessiert, nicht an seinen Begleitern.
Er sagte ihnen, dass, wenn er Havat Ma'on betreten habe, dies
aus Versehen geschehen sei. Doch sein Anwalt für diesen
speziellen Fall, Riham Nassra von Gaby Lasky & Partners, stellte
später klar: "So etwas wie ein 'versehentliches Betreten' gibt
es nicht, ein Betreten muss ein Element der Absicht beinhalten
... also gab es mit ziemlicher Sicherheit keine legitimen
Anklagen gegen ihn."
Sie fuhr fort: "Während die Polizei nicht verpflichtet ist, die
Beweise zu zeigen, ist es vernünftig, anzunehmen, dass sie
nichts gegen ihn in der Hand haben."
Huraini wurden die Beweise nie gezeigt, aber er sagt, dass ihm
gesagt wurde, er müsse 500 Schekel zahlen oder ins Gefängnis
gehen. Er hatte nur 100 Schekel bei sich und eine Prüfung am
nächsten Tag. Die Beamten nahmen das Geld und ließen ihn gehen,
sagt er, und es wurde ihm keine Quittung ausgestellt. Ohne
Papiere wird Huraini das Geld nicht zurückfordern können, wie er
es nach 180 Tagen tun sollte. Was das offensichtliche Feilschen
angeht, so ist das nicht koscher", sagte eine Polizeiquelle
gegenüber Haaretz. "Das ist die Polizei, das ist nicht der
Karmelmarkt", fügte die Quelle hinzu.
Im Jahr 2020 pflanzte die Jugend von Sumud einige Olivenbäume
direkt neben einem vom Jüdischen Nationalfonds gepflanzten Wald
zwischen Ma'on und At-Tuwani. Das Ziel, so Huraini, war es, das
potenzielle Vordringen der Siedlung physisch aufzuhalten und
gleichzeitig den jungen Leuten ein neues Gefühl des Eigentums an
dem Land zu vermitteln. Ein paar Wochen später, als die
Setzlinge aus dem Boden kamen, wurden sie entwurzelt, und das
nicht zum ersten Mal. Wer hat das getan? "Die Siedler - wer
sonst?" Huraini zuckte mit den Schultern.
Seine eigenen Wurzeln zu diesem Land sind aber nach wie vor so
fest wie eh und je. "Wir wollen ein normales Leben in unserem
Dorf, ein Leben in Würde", sagte Huraini. "Wir wollen einfach
das Trauma hinter uns lassen und in Sicherheit leben. Und dass
das Apartheidsystem fällt." Diesen Freitag, während er sich
erneut auf der Polizeistation von Kiryat Arba meldet, werden
seine anderen jungen Aktivisten wieder in At-Tuwani unterwegs
sein und ihren Kampf fortsetzen.
Quelle |