Friedensaktivist
Uri Avnery liegt in kritischem Zustand im Krankenhaus - Ofer
Aderet - 9. 8. 2018 - Der linke Friedensaktivist Uri
Avnery, der regelmäßig für Haaretz geschrieben hat, liegt in
ernstem Zustand nach einem Schlaganfall im Krankenhaus.
Avnery, 94, ein früheres Knesset Mitglied und ein Gründer
der Gush Shalom –Friedensbewegung, hat als Herausgeber der
Wochenzeitschrift Haolam Hazeh gearbeitet. Er ist in den
letzten 70 Jahren für die Schaffung eines palästinensischen
Staates gewesen.
Anat Saragusti, eine Journalistin und
Menschenrechts-Journalistin, die mit dem 94-Jährigen Avnery
eng befreundet war, setzte am späten Mittwochabend einen
ironischen Kommentar im Facebook: „Es kann vermutet werden,
dass er in dieser Woche seinen wöchentlichen Artikel nicht
bringt. Er sagte mir einmal halb im Scherz, halb im Ernst:
Wenn du meinen Artikel am Freitag nicht erhältst, solltest
du wissen, dass ich verstorben bin.
Er ist also nicht gestorben, nur bewusstlos. In genau einem
weiteren Monat, am 10. September, wird er seinen 95.
Geburtstag feiern und das Tzavta (-Theater in Tel Aviv)
bereitet ihm zu Ehren schon etwas vor. Ich war heute dort
und hoffe das Beste und drücke die Daumen,
Avnery war der erste Israeli, der PLO-Führer Yasser Arafat
traf. Es war 1982 im Libanon.
Im letzten Artikel, den Avnery für Haaretz schrieb, der am
Dienstag auf Hebräisch erschien, war er äußerst kritisch
gegenüber dem widersprüchlichen National-Staat-Gesetz, das
im letzten Monat die Knesset passierte und behauptete, dass
die israelische Nation und nicht die jüdische Nation ihr
Heim in Israel hat. Er erwähnte auch, dass er einmal unter
den Bittstellern war, die ohne Erfolg vor dem Obersten
Gericht darum baten, die Nationalität in seinem Ausweis zu
verändern und zwar von „jüdisch“ auf „israelisch“
(dt. Ellen Rohlfs)
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'Es ist ein Krieg gegen jeden Bereich der
palästinensischen Identität': Israel zerstört beliebtes
Kulturzentrum in Gaza - Ahmad Kabariti - 10.08.2018
Dutzende Anwohner der Said al-Mishal Kultur- und
Wissenschafts-Stiftung lehnten sich heute Morgen aus ihren
Fenster, um die Musik zu hören, von der sie glaubten, sie
nie mehr zu hören zu können. Das Gebäude des Kulturzentrums
ist von mehreren aufeinanderfolgenden israelischen
Luftangriffen völlig zerstört worden, aber der 18-j. Hazam
Gusain hat seine Zwölf-Mann-Band auf die Ruinen des Zentrums
geführt. Die Band, die ihren Sitz, ihre Ausrüstung und
Uniformen bei dem Angriff verloren haben, trugen ihre
Gitarren, ihr Schlagzeug und ihr Digitalpiano, die sie an
einen kleinen Dieselgenerator angeschlossen hatten.
15 Minuten lang sang die al-Anqaa (Phönix)-Band drei
nationale Lieder. Einige Anwohner waren zum 'Konzert'
heruntergekommen, um dabei zu sein, andere sahen von weiter
weg zu; sie klatschten, um die Düsternis der vorhergehenden
Stunden abzuschütteln.
Donnerstag Abend, 18 Uhr Gaza-Zeit, hörte man 12
Explosionen, als israelische Kampfflugzeuge über Gaza-Cita
flogen und das beliebte Kulturzentrum trafen, eines der sehr
wenigen kulturellen Ventile, die der Jugend von Gaza in der
belagerten Enklave geblieben sind.
Das 5-stöckige Gebäude hatte drei Theater, Büros für
Kulturvereine, eine Bibliothek sowie ein Büro für die
ägyptische Community in Gaza.
Der 40-j. Ayman Hashishu war Augenzeuge am Ort, er ist
Besitzer einer Autowaschanlage im Zentrum. Er sagte, seine
Frau hätte einen Telefonanruf von einem israelischen
Offizier bekommen, der sie warnte, sie sollte ihr
4-stöckiges Gebäude verlassen.
"Gott verdammt, machen Sie Spaß mit mir?", anwortete Amna
dem Anrufer auf Arabisch, erzählte Ayman Mondoweiss. Fünf
Minuten später rief die israelische Armee wieder an: "Es ist
mir ernst. Sie haben noch 5 Minuten, um hinauszugehen; wir
werden das Kulturzentrum angreifen."
Diese fünf Minuten reichten nicht, um die Reihe gerade
gewaschener Autos vom Zentrum wegzubringen. "Alle
Autowäscher beeilten sich die Autos der Klienten weiter weg
in die anliegende Straße zu fahren", erklärte Hashishu. Kurz
darauf war die Anlage durch die Explosionen vollständig
zerstört.
Zurück zum Bandleader, der eine Melodie summte, von der er
sagte, sie stamme von einem Gedenkgottesdienst für Rachel
Corrie, der im März 2017 im Zentrum gehalten wurde. "Al-Mishal
war ein Ort voller Erinnerungen", sagte Hazem. "Es war ein
Ort von Liebe, ein Ort der warmen Lieder und Filme, die vor
350 (Zuschauern) auf den burgunderfarbenen Sitzen
(aufgeführt wurden) sowie dutzende Theaterstücke, die auf
den Bühnen des Zentrums gespielt wurden."
Theaterdirektor Abu Ali Yassin war gerade bei der
Vorbereitung seiner ersten Show, "Bbret Benj"
('Schmerzmittelinjektion'), einem 7-minütigen Drama, das die
Probleme der Arbeitslosigkeit, des Fehlens von sauberem
Trinkwasser, der Stromsperren und der Schließung der
Grenzübergänge von Gaza zum Thema hatte. "Die Zuschauer
warteten darauf, es am vierten oder fünften Tag des Eid
al-Adha (islamisches Fest am 22.August) im (jetzt)
zerstörten Theater zu sehen", sagte der Direktor gegenüber
Mondoweiss. "Jetzt liegt das Theaterstück unter dem Schutt,
so wie auch meine Dekorationen und die Ausstattung."
Avichai Adraee, der Sprecher der arabischen Medien der IDF,
schrieb, kurz nachdem das Gebäude getroffen worden war, in
einem Post auf Twitter: "Kampfflugzeuge haben ein
5-stöckiges Gebäude angegriffen, das internen
Sicherheitskräften diente [...] Die Einheit ist der
operative Arm der politischen Führung der Hamas, der für den
Ablauf aller internen Sicherheitsaktivitäten im Gazastreifen
verantwortlich ist."
Eman Sourani, eine Anwohnerin des Zentrums, postete ein
Video des Angriffs auf ihrem Facebook-Account und schrieb:
Dieser Bombenangriff war sehr nah an meinem Haus. Ich mußte
vor meinen kleinen Kindern dumm lächeln und lustig
reagieren, damit sie nicht in Panik gerieten. Ich habe drei
Kinder und habe große Angst und Sorgen. Letzte Nacht ist
eine schwangere Mutter und ihre 18 Monate alte Tochter von
den terroristischen Kampf Flugzeugen der israelischen Armee
ermordet worden, und heute und jeden Tag fühle ich mich
überhaupt nicht sicher. Wird Gaza in den nächsten drei
Jahren einen Ort haben, an dem Kunst unterrichtet wird?
Theater? Musikzentren? Bibliotheken oder Grünanlagen mit
Spielplätzen,
damit meine Mädchen ihre Kindheit genießen und lernen?
"Israel versucht uns seine Botschaft zu übermitteln: Der
massive Krieg richtet sich nicht nur gegen die
Menschlichkeit und unsere Existenz; es ist ein Krieg gegen
jeden Bereich unserer palästinensischen Identität
einschließlich der Musik, der Kultur und sogar dem
Dabkeh-Tanz", sagte Nidal Eissa, 30, stellvertretender
Direktor der Stiftung, die 2004 eröffnet wurde.
Eissa fügte hinzu, dass das Zentrum jeden Tag für gewöhnlich
von 200-250 Dichtern, Künstlern (Malern), Tänzern von
Volkstänzen und Philosophen genutzt wurde; auch Feiern zum
Abschluß des Kindergartens fanden sehr gerne hier statt.
"Aber all diese Dichter werden sich nicht mehr (hier)
versammeln, und ihre Schüler müssen sich woanders einen
Platz suchen."
Quelle
Übersetzung: K. Nebauer
Warum zerstört
Israel weiterhin Stätten des kulturellen Erbes in Gaza?
-
10.08.2018 - Am Donnerstag, den 9. August, warf die
israelische Luftwaffe zehn Raketen auf ein Gebäude in Gaza
City und verwandelte das 5-stöckige Gebäude in Schutt. War
das ein Trainingszentrum der Hamas, oder stand es irgendwie
mit dem bewaffneten palästinensischenWiderstand in
Verbindung? Nein. Wie das Gebäude, das vom ísraelischen
Militär zwei Wochen zuvor angegriffen worden ist - wobei
zwei Teenager getötet wurden, als sie ein Selfie aufnahmen -
war das ein Kulturzentrum, das das Ziel hatte die Geschichte
und Kultur des palästinensischen Volkes zu bewahren. Die
Said al-Mashal-Stiftung für Kunst und Kultur war ein Ort, an
dem das kulturelle Erbe bewahrt und gepflegt wurde. Der
traditionelle palästinensische Tanz, Dabke, wurde hier
gelehrt und praktiziert, Dichter versammelten sich, um ihre
neuen Werke zu teilen, Musiker kamen zu Jam-Sessions und
Performances zusammen.
Zwei Wochen
zuvor warf die israelische Luftwaffe eine Bombe auf das
Museum für Kunst und Kunsthandwerk in Gaza.
Warum zielt
Israel auf die Zerstörung palästinensischer
Kunstgegenstände, Museen, Kunst und Kunsthandwerk? Weil sich
Widerstandskämpfer in diesem Gebäuden versteckt hätten? Das
ist eine lächerliche Behauptung, die mit einem Blick auf die
Beweise leicht widerlegt ist: keine Kämpfer, keine Waffen
oder Raketen im Schutt, der von schönen und beliebte
Kulturzentren übrigblieb.
Es ist auch
nicht wahr, dass (die Zerstörung) diese(r) Zentren so etwas
wie ein "Kollateralschaden" war und die Bomben auf eine
andere, in der Nähe gelegene Stelle zielten. Nein,
israelisches Militär hat direkt auf diese Zentren gezielt –
und hat nach der Tat wirklich erklärt, die Luftschläge seien
ein 'Erfolg' gewesen und behauptet, dass sie ihre Ziele
direkt angreifen. Nein, Realität ist, dass diese Zentren,
die die Identität des palästinensischen Volkes, seine Kultur
und Geschichte bewahren, als eine Bedrohung für Israel
angesehen werden und israelische Behörden eine Regel in
Kraft gesetzt haben, das solche Zentren zerstört werden
müssen.
Middle East
Eye interviewte einige Künstler, die im Zentrum mit
eingebunden waren. - Edrees Taleb, 27, einer der
bekannten Theater-Direktoren des Zentrums, wurde mit den
Worten zitiert: "Sie wissen sicher, was es bedeutet, acht
Jahre an einem Ort gearbeitet zu haben und jede Fliese wie
deine eigene Hand zu kennen, und plötzlich, in einem
Augenblick, ist alles weg? In den letzten zwei Monaten haben
wir für ein neues Stück, 'Schmerzmittel-Injektion' geprobt,
das während der Eid al-adha-Ferien gespielt werden sollte,
wir hatten wenige Stunden vor der Bombardierung des Gebäudes
die Dekoration angebracht." Taleb konnte nicht glauben, dass
das Gebäude zerstört sein sollte, bis er es selbst gesehen
hatte. "Wir haben den ganzen Donnerstag damit verbracht, die
Probe von Samstag vorzubereiten. Die Dekoration hat uns viel
gekostet, aber wir hatten gehofft, es würde sich
amortisieren", sagt er. "Wir beendeten die Vorbereitungen
gegen 15.30 Uhr, ich ging nach Hause, um mich etwas
auszuruhen. Als ich gegen 18 Uhr zurückkam, war das Gebäude
nicht mehr da. Ich bin schockiert, mir bleibt die Luft weg."
Ein junger, als
Taleb identifizierter Künstler erzählte der Zeitung, dass er
8 Jahre lang, seit er 18 war, im Zentrum an Veranstaltungen
teilgenommen (sie besucht) hat. Er sagte: "Israel sagt, sein
Militär habe das Gebäude angegriffen, weil ein Teil davon
von der Hamas genutzt würde. Aber ich war dort mehr als acht
Jahre, nie gab es dort etwas, was mit einer politischen
Partei in Zusammenhang gestanden hätte. Weder in der
Vergangheit noch in der letzten Zeit." Hanin al-Holy, 23,
erklärte: "Das al-Mashal-Zentrum war ein Kultursymbol,
etwas, das unsere palästinensische Identität stärkte. Sie
haben es angegriffen, weil auch Kultur eine Form des
Widerstands ist."
Quelle
Übersetzung: K. Nebauer
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