Rede von Rela Mazali, New
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Demonstration der Koalition :
Schluss mit der Belagerung von Gaza
2. Dezember, Tel Aviv
Lasst uns
darüber im Klaren sein: Israels Beschuss von Gaza ist nicht
zu Ende. Es gibt keine israelische Waffenruhe in Gaza. Es
gibt keine israelische Waffenruhe, auch wenn Israels
Soldaten keine einzige Kugel im Gazastreifen abschießen.
Im Gazastreifen sind die Lebensmittel
knapp. Israel verweigert dem Gazastreifen Lebensmittel. 70%
der Familien im Gazastreifen haben nicht genügend zu essen.
Die Preise für Nahrungsmittel sind gestiegen und steigen
weiter. Der Preis für Mehl ist um ein Drittel gestiegen.
Israel verbietet das Fischen an der Küste des Gazastreifens
und verweigert so den Zugang zu Protein, das für viele sehr
wichtig ist. Mangel an Lebensmitteln lässt Menschen
verhungern und sterben. Lebensmittel verweigern, ist wie
schießende Gewehre.
Das Trinkwasser ist knapp im Gazastreifen.
Israel unterbricht die regelmäßige Wasserzufuhr, das Wasser
zum Trinken und zur Hygiene. Wassermangel tötet. Das Wasser
verweigern, kommt schießenden Gewehren gleich.
Im Gazastreifen sind die Medikamente knapp.
Israel verweigert Gaza die Medizin. Der Bruder eines
Freundes, ein Arzt, der in einem Krankenhaus arbeitet, nennt
sich jetzt selbst Photograph. Er kann seine Patienten zwar
röntgen, ihnen aber keine Behandlung anbieten. Wenn keine
Medikamente vorhanden sind, bedeutet das für viele den Tod,
besonders für Kinder, Alte und kranke Menschen. Keine
Medizin wirkt wie schießende Gewehre.
Es gibt zu wenig Strom in Gaza. Seit neun
Monaten weigert sich Israel, der palästinensischen Behörde
die einbehaltenen Zoll- und Steuergelder auszuzahlen; es
wäre die Hälfte des Jahresbudgets. Israel hält den Lohn von
165 000 Angestellten vom Gazastreifen und der Westbank
zurück. Sie stellen 40% der Arbeitskraft dar. Im
Gazastreifen und in der Westbank sind 1 070 000 Menschen
ohne grundlegende Lebensmittelversorgung. Seit 9 Monaten
hält Israel und die Welt zusätzliche Geldmittel zurück. Die
Landwirtschaft, die Produktion und der Handel sterben
innerhalb der palästinensischen Behörde – und die Menschen
mit. Wirtschaftliche Belagerung ist so viel wie schießende
Kanonen.
Im Gazastreifen gibt es keine
Bewegungsfreiheit. Den Menschen die Bewegungsfreiheit zu
rauben, tötet die, die eine lebensrettende Behandlung im
Ausland benötigen oder auch von der Arbeit im Ausland
abhängen; es tötet auch Frauen, die gezwungen werden, ohne
Hilfe Kinder zu gebären; es tötet auch die Babys dieser
Frauen. Mehr als je sind die Arbeitslosen gezwungen, zu
Hause zu bleiben und sind so frustrierender Demütigung und
wütend machender Hilflosigkeit ausgesetzt; mehr denn je
sind Frauen so auch häuslicher Gewalt ausgesetzt und stecken
so in der Gefahrenzone ihrer Familien wie in einem
Gefängnis. Die Verweigerung der Bewegungsfreiheit ist wie
das Schießen von Kanonen.
Die Belagerung des Gazastreifens ist wie
maskiertes Kanonenfeuer. Seine Opfer werden nicht als
Israels Opfer gezählt. Sie schafft eine Herrschaft von
schleichendem, unsichtbaren Tod. Sie behauptet nicht einmal,
dass sie Kämpfer von Zivilisten unterscheidet. Doch tötet
sie vor allem die Hilflosen.
Lasst uns darüber im Klaren sein: Israel
hat den Gazasteifen in ein Todeslager verwandelt.
Es stimmt, die Belagerung ist nicht total.
Es gibt keinen Hunger im Gazastreifen, es gibt
Lebensmittel, aber nicht genug. Es gibt Strom – manchmal,
aber nicht genug.
Es gibt auch Medizin – für einige – aber
nicht genug. Da dürfen manchmal Leute raus aus dem
Gazastreifen oder reinkommen – aber längst nicht alle.
Israel hat eine humanitäre Belagerung
geschaffen; eine Massenzerstörungswaffe, die sich in den
Details verbirgt, die man nur durch genaue Information und
persönliche Geschichten wahrnimmt. Aber der Zugang nach Gaza
ist schwierig; die Kommunikation unregelmäßig. Die Leute
kämpfen um das tägliche Überleben. Wie viel Zeit können sie
noch ins Erzählen, Berichten, Schreiben, Fotografieren
investieren? Die Belagerung des Gazastreifens ist auch eine
Belagerung der Informationsfreiheit.
Seit neun Monaten ist es deshalb der
Belagerung gelungen, diese einfache Wahrheit zu verstecken:
die Belagerung des Gazastreifens ist ein Verbrechen; es ist
willkürlicher Mord; es ist eine systematische Hinrichtung
von Geiseln; der Tod wird rücksichtslos herbeigeführt.
Und das Muster ist klar: während die
Situation im Gazastreifen jetzt schlimm ist, wird Israel
diese Belagerung morgen auf der Westbank hinter der Mauer
ausdehnen.
Der Gazastreifen und die Westbank werden
weiter unter dem Feuer der Belagerung stehen, bis auch
Sderot wieder unter Raketenbeschuss steht. Das kugelfreie
Schießen, das Israel gegen die Armen von Gaza schießt, ist
auch ein stellvertretendes Schießen gegen die Armen von
Sderot. Die Belagerung des Gazastreifens wird raffiniert
mit dem photogenen Leiden von Sderot ausgewertet und
gerechtfertigt, um die Tatsache zu verbergen, dass Israels
Führer sich noch einmal für den Krieg entschieden haben.
Die tödliche Belagerung des Gazastreifens
ist dafür gedacht, die palästinensische Bevölkerung weiter
in Wut entbrennen zu lassen. Sie ist auch dafür bestimmt,
nicht anerkannte Gruppen innerhalb Israels auszubeuten. Sie
ist dafür bestimmt, ein falsches Image eines Israels
vorzustellen, das sich um Frieden bemüht und die Waffenruhe
einhält. Sie ist vor allem dafür bestimmt, einen wahren
politischen Prozess und einen gerechten Frieden zu
verhindern – gleichzeitig wird Israel von der Verantwortung
für einen Krieg befreit. Die Belagerung, die im Namen von
Israels Verteidigung ausgeführt wird, ist nur dafür
bestimmt, Israels machtvolle Politik der Stärke und des
Landraubes zu verteidigen.
Ich stehe hier, um Olmert, Peretz und
Halutz und jedem einzelnen, der in der Regierungsarmee
dient, zu sagen: Eure Belagerung des Gazastreifens ist ein
Verbrechen.
Sie ist - unter allen Umständen -
gewissenlos, unverschämt und skrupellos. Es ist ein
offenkundig unmoralischer Akt.
Ein ehemaliger Generalstabschef, Moshe
Yaalon konnte kürzlich nur knapp einer Anklage wegen
Kriegsverbrechen in Neuseeland entkommen. Die Welt beginnt,
wenn auch langsam, gegen Israels Kriegsverbrecher
vorzugehen. Und heute stehen mit uns Gruppen aus 100
Städten und Gemeinden in Europa, Nordamerika, in Asien und
Australien gegen die Belagerung, gegen die verlängerte
Unterdrückung des palästinensischen Volkes.
Das Verbrechen dieser Belagerung ist nicht
weniger schändlich und entsetzlich, als das schändliche
Verbrechen, das vor 24 Jahren Hundert Tausende auf den
Platz hier brachte. Auch damals in Sabra und Shatila wurden
die Untaten verheimlicht. Auch damals wurde blind auf
gefangene hilflose Opfer geschossen. Heute bringen wir
wieder unsere Scham auf diesen Platz und verlangen von
Ihnen: Schluss! Jetzt! Bedingungslos! Beendet das Verbrechen
sofort! Schluss mit der Belagerung!.
(dt. Ellen Rohlfs)