Nicht der
Mörder, der Ermordete ist schuld
Abraham Melzer
An diesen Titel einer Geschichte von
Franz Werfel musste ich denken, als ich heute Morgen den
Beitrag des sonst sehr moderaten Joseph Croitoru in der FAZ
gelesen habe. Und je mehr ich las, desto mehr standen mir die Haare
zu Berge und mein Herz füllte sich mit Zorn und Verzweiflung. Wie
kann man nur die Realität so auf den Kopf stellen? Wie kann man
einen Film der Organisation „Cultures of Resistance“, den auch ich
in youtube gesehen habe, so verfälschen? Wie kann die FAZ einen
solchen Beitrag abdrucken, nachdem sie am 5. Juni den Beitrag über
den Frankfurter Arzt Matthias Jochheim brachte und am 6. Juni den
erschütternden Beitrag ihres eigenen Reporters Mario Damolin
abdruckte?
Hat sich auch die FAZ vom Schock erholt
und wechselt nun zum Buisiness as usual über?
Es fängt damit an, das Croitoru davon
schreibt, dass der „harte Kern türkischer IHH-Aktivisten auf die
Enterung des Schiffes durch die Israelis vorbereitet und einen
gewalttätigen Angriff auf die Soldaten geplant hatte.“ Ist es nicht
genau umgekehrt gewesen? Haben nicht israelische Soldaten, auf hoher
See, einen „gewalttätigen Angriff“ auf das Schiff Mavi Marmara
geplant und durchgeführt? Wie kommt es, dass dann die Passagiere
als „gewalttätige Angreifer“ bezeichnet werden? Wenn das nicht
ernst gemeint wäre, könnte man es als Satire abtun und lächeln.
Und womit waren diese IHH-Aktivisten
bewaffnet? „Mit Stöcken, Eisenstangen, (die im Video nicht zu sehen
sind), Messern (aus der Kombüse) und Steinschleudern.“ Kommt denn
bei ´Steinschleudern` nicht die Erinnerung an König David hoch, der
mit seiner Steinschleuder den mächtigen Goliath getötet hat? Ist
nicht seitdem die Steinschleuder die Waffe der Schwachen und
Unterlegenen? Und warum benutzen sie überhaupt Steinschleuder,
wundert sich Coitoru, wo doch die israelische Marine zur
„Kooperation“ aufrief? Spätestens hier weiß man nicht mehr,
ob es nicht doch eine Real-Satire ist.
Aber es geht in diesem Stil weiter. Man
hat das Gefühl, der Beitrag ist im israelischen „Hasbara“-Ministerium
geschrieben worden. Die IHH-Passagiere, die bei Croitoru plötzlich „IHH-Kämpfer“
genannt werden, „zersägen die Reling“!? Davon ist allerdings im
Video „nichts zu sehen“, wie Croitoru selber zugibt. Davon stand
auch bisher nichts in der FAZ. Das ist eine offensichtliche und auch
dumme Lüge. Was dann noch folgt, kann man getrost unter der
Rubrik: Lügenbaron Münchhausen abhaken:
„kampfbereite Passagiere“, die sich, wie man
sehen konnte, aus Angst unter Tischen verstecken; „verdutzte
Kommandosoldaten“, denen die Passagiere einen Empfang bereitet
haben, mit dem sie wohl nicht gerechnet haben; Soldaten, die mit
Paintball-Gewehren angreifen und Farbpatronen schießen, mit denen
sie immerhin neun Passagiere töten und schließlich die unverschämte
und falsche Behauptung, dass „auch von türkischer Seite“ Schüsse
abgegeben wurden. Und über verängstigte und in der Tat zur Abwehr
bereite Passagiere, schreibt er: „IHH-Reservekräfte“ haben sich vor
der Tür zum Oberdeck versammelt, um den Ansturm der Soldaten
abzuwehren. Man könnte fast glauben, ein Bataillon der türkischen
Armee wäre an Bord gewesen. Es wird suggeriert, dass die Passagiere
militärisch organisiert waren, was weder aus diesem Video
hervorgeht, noch aus irgendeinerZeugenaussage. Im Gegenteil.
Ich bin erstaunt, dass ein solcher
Beitrag, der sehr gut zu Broders „Achse des Guten“ gepasst hätte, in
der seriösen FAZ erscheinen konnte. Der Beitrag heißt „Verletzte
Soldaten sehen wir nicht.“ Und
das ist gut und richtig so, denn hätte man den Arzt Dr.
Matthias Jochheim gefragt, der an Bord war und die verletzten
Soldaten behandelt hat, dann hätte auch die FAZ gewusst, dass die
drei Soldaten körperlich unerheblich verletzt waren, dafür aber
unter Schock standen und von IHH-„Kämpfern“ beschützt wurden.
Und last not least: Wenn man den Film
bis zum Ende sieht, kann man bei dem Tumult an Bord immer wieder die
Lautsprecheransage hören: Please don´t use violance! Bitte gebraucht
keine Gewalt.