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6. Sitzung des 17. Deutschen Bundestages am 25.
November 2009
Wolfgang Gehrcke in der Fragestunde
- Auszug aus dem Protokoll –
Vizepräsidentin Petra Pau:
Ich rufe die Frage 2 des Kollegen Wolfgang
Gehrcke auf:
Wird die Bundesregierung bei der gemeinsamen
deutschisraelischen Kabinettssitzung am Montag,
dem 30. November 2009, die israelische Regierung
nachhaltig zu einem Baustopp in den besetzten
palästinensischen Gebieten auffordern?
Bitte, Frau Staatsministerin.
Cornelia Pieper,
Staatsministerin im Auswärtigen Amt:
Bei Begegnungen mit israelischen
Regierungsmitgliedern, so auch am 30. November
2009, wenn die zweiten deutsch-israelischen
Regierungskonsultationen, wie Sie wissen, in
Berlin stattfinden, stehen im Rahmen des
Nahostfriedensprozesses diese Fragen ständig auf
der Tagesordnung. Zuletzt war dies der Fall bei
dem Gespräch von Bundeskanzlerin Dr. Angela
Merkel mit Ministerpräsident Netanjahu am 27.
August 2009 in Berlin sowie bei den Gesprächen
des Bundesministers des Auswärtigen, Dr. Guido
Westerwelle, bei seinem Besuch in Israel am
23./24. November. Die Position der
Bundesregierung zum Siedlungsbau ist bekannt und
gilt fort. Die Fortsetzung des Siedlungsbaus
widerspricht den zwischen den Parteien
getroffenen Vereinbarungen und erschwert eine
verhandelte Endstatuslösung. Die Bundesregierung
und ihre europäischen Partner haben regelmäßig
verdeutlicht und werden das auch in Zukunft tun,
dass sie die Fortsetzung des Siedlungsbaus
ablehnen.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Wolfgang Gehrcke
(DIE LINKE):
Herzlichen Dank für Ihre Antwort, Frau
Staatsministerin. Ich habe mit Interesse
gelesen, dass der Außenminister in Israel gesagt
hat, um es wörtlich zu zitieren, dass die
Regelungen zum Siedlungsbau Teil der Roadmap
bleiben. Das war nie bestritten. Die Roadmap ist
abgeschlossen. Die Frage ist, was die
Bundesregierung zu tun gedenkt, um Israel zu
bewegen, sie einzuhalten. Das ist der Punkt, um
den die Auseinandersetzungen gehen.
Cornelia Pieper,
Staatsministerin im Auswärtigen Amt:
Bundesminister Westerwelle hat sich mehrmals
dazu geäußert. Er hat unter anderem während
seiner Reise auch geäußert, dass es um die
Siedlungspolitik gehen wird, die auch Thema der
Gespräche der amerikanischen Außenministerin
gewesen ist und die natürlich auch in der
Nahostpolitik eine große Rolle spielt. Er hat
sich zur sogenannten Roadmap für den
Nahostfriedensprozess bekannt. Die Roadmap sieht
auf dem Weg zum Frieden
das Einfrieren der Siedlungsaktivitäten vor. Er
hat deutlich gemacht, dass diese Haltung von
Deutschland vertreten wird. Die Roadmap ist klar
vereinbart. Er hat zum Einfrieren der
Siedlungsaktivitäten aufgefordert, und das
vertritt er nach außen. Ich glaube, dass die
Bundesregierung immer wieder eine ganz klare
Haltung auch in den Gesprächen mit der
israelischen Regierung zeigt und dass diese
nicht anzuzweifeln ist.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage.
Wolfgang Gehrcke
(DIE LINKE):
Ich möchte in diesem Zusammenhang nachfragen,
welche Bedeutung die Bundesregierung dem Umstand
beimisst, dass der Palästinenserpräsident Abbas
erneut für diese Aufgabe kandidiert. Glauben
Sie, dass man Herrn Abbas davon überzeugen kann,
dass, wenn von Europa faktisch wenig
Unterstützung geleistet wird, das ein Schritt
ist, der notwendige Friedensverhandlungen wieder
in Gang bringen kann? Was Sie gesagt haben, ist:
Wir bleiben dabei. – Sie haben aber nicht
gesagt, was Sie tun wollen, um Israel dazu zu
bringen.
Cornelia Pieper,
Staatsministerin im Auswärtigen Amt:
Gehen Sie davon aus, dass die Bemühungen der
Bundesregierung weiterhin darauf ausgerichtet
sein werden, dass wir einen schnellen Einstieg
in die Friedensverhandlungen bekommen und dass
wir dabei alle Aspekte abwägen.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Zu einer weiteren Nachfrage hat der Kollege Rolf
Mützenich das Wort.
Dr. Rolf Mützenich
(SPD):
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau
Staatsministerin, im Zusammenhang mit der
Bearbeitung des Nahostkonfliktes stehen wir vor
vielen Entscheidungen. Der Außenminister hat
soeben Israel und die palästinensischen Gebiete
bereist. Vor diesem Hintergrund möchte ich Sie
gerne fragen, ob Sie uns möglicherweise über die
Reaktionen Israels und der am UNIFIL-Prozess
beteiligten Staaten auf die Reise des
Außenministers in Kenntnis setzen können. Wie
ist darauf reagiert worden, dass die
Bundesregierung beabsichtigt, diesen Einsatz nur
für die nächsten sechs Monate zu verlängern,
wodurch ein Ausstieg Deutschlands bereits vor
einer weiteren Verlängerung des Mandats des
Sicherheitsrats der Vereinten Nationen erfolgen
würde?
Cornelia Pieper,
Staatsministerin im Auswärtigen Amt:
Ich sage noch einmal: Die Bundesregierung
begleitet diese Friedensbemühungen sehr
intensiv. Gehen Sie einmal davon aus, dass das
auch weiterhin so geschehen wird.
Ich kann Ihnen keine konkrete Antwort auf Ihre
Frage geben. Ich bin aber gern bereit, sie
schriftlich zu beantworten.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Damit kommen wir zur Frage 3 des Kollegen
Wolfgang Gehrcke:
Wird die Bundesregierung den Umgang mit dem
sogenannten Goldstone-Bericht über
Menschenrechtsverletzungen im Gazakrieg zu einem
Thema bei den deutsch-israelischen
Regierungsgesprächen machen?
Sie haben das Wort, Frau Staatsministerin.
Cornelia Pieper,
Staatsministerin im Auswärtigen Amt:
Wie bereits in der Antwort auf Frage 2
ausgeführt, Herr Gehrcke, sind bei Begegnungen
mit israelischen Regierungsmitgliedern für den
Nahostfriedensprozess relevante Fragen
selbstverständlich stets Thema. Die Position der
Bundesregierung zum Goldstone-Bericht ist
bekannt und gilt natürlich fort.
Die Bundesregierung hat sich von Beginn an für
eine angemessene, ausgewogene Behandlung
eingesetzt. Der Menschenrechtsrat der Vereinten
Nationen ist als Auftraggeber des
Goldstone-Berichts das geeignete Gremium für
eine sorgfältige Aufarbeitung der erhobenen
Vorwürfe. Das liegt im Interesse beider
Parteien. Dafür setzt sich natürlich auch die
Bundesregierung ein.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Wolfgang Gehrcke
(DIE LINKE):
Die Bundesregierung hat sich gegen die
Weiterleitung des Goldstone-Berichtes, in dem
beiden Konfliktparteien – nicht nur Israel; es
ist mir wichtig, das zu betonen –
Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden,
an die Vollversammlung der Vereinten Nationen
ausgesprochen. Könnten Sie dem Parlament
erklären, warum die Bundesregierung nicht
möchte, dass der Goldstone-Bericht in dieser
Ausgewogenheit von der Vollversammlung der
Vereinten Nationen diskutiert wird?
Cornelia Pieper,
Staatsministerin im Auswärtigen Amt:
Wie Sie wissen, haben bei dieser Frage nicht nur
Deutschland, sondern auch die USA, Italien,
Tschechien und die Niederlande mit Nein
gestimmt. Nach Auffassung der Bundesregierung
ist der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen
als Auftraggeber des Goldstone-Berichts das
geeignete Gremium für die Befassung; das habe
ich schon gesagt. Vorverurteilungen und dem
Weiterverweisen an andere Stellen hat sich die
Bundesregierung von Anfang an widersetzt.
Nach schwierigen Verhandlungen in New York über
einen Textentwurf der palästinensischen
Delegation mit dem Ziel, einen für alle Seiten
akzeptablen Kompromiss zu finden,
berücksichtigte der zur Abstimmung vorgelegte
Text weder die Verhandlungsergebnisse noch
Kompromissvorschläge verschiedener Parteien. Die
erste vorgelegte Version dieses Textes war für
die Bundesregierung und andere Mitgliedstaaten
nicht akzeptabel. Daher hat die Bundesregierung
am 5. November 2009 gemeinsam mit einigen
EU-Mitgliedstaaten und den USA die Resolution
der Vollversammlung der Vereinten Nationen
abgelehnt, die den Goldstone-Bericht indossiert
und an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen
weiterverweist.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage.
Wolfgang Gehrcke
(DIE LINKE):
Frau Staatsministerin, können Sie verstehen,
dass vor diesem Hintergrund bei der
palästinensischen Autorität – nicht bei
irgendwelchen Randgruppen – der Wunsch nach
einer einseitigen Ausrufung eines
palästinensischen Staates wächst, um die
Anliegen der Palästinenser, auch rechtlich
gesehen, endlich durchsetzen zu können? Wie wird
sich die Bundesregierung dazu verhalten?
Cornelia Pieper,
Staatsministerin im Auswärtigen Amt:
Der Bundesaußenminister, Herr Westerwelle, hat
sich ganz klar auch während seines Besuches und
während des Gesprächs mit Herrn Netanjahu zu
einer Zwei-Staaten-Lösung geäußert. Das wissen
Sie sicherlich; denn das konnten Sie ja den
Medien so entnehmen.
(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das stimmt!)
Vizepräsidentin Petra Pau:
Zu einer weiteren Nachfrage hat der Kollege Rolf
Mützenich das Wort.
Dr. Rolf Mützenich
(SPD):
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Im Zusammenhang
mit den deutsch-israelischen
Regierungskonsultationen, die ja hier
angesprochen worden sind, würde ich gerne noch
einmal nachfragen, ob Sie sich – weil die
Bundeskanzlerin ja gesagt hat, dass der Einsatz
im Rahmen des UNIFIL-Mandats im Interesse der
israelischen Sicherheit ist, und die
Gesprächspartner in Israel uns nahegelegt haben,
den Beitrag doch so lange aufrechtzuerhalten,
wie das Mandat des Sicherheitsrates gilt – zu
einer Korrektur Ihrer Mandatsentscheidung
entschließen könnten.
Cornelia Pieper,
Staatsministerin im Auswärtigen Amt:
Sie wissen, dass wir zu diesem Thema noch im
Deutschen Bundestag debattieren werden. Deswegen
will ich an dieser Stelle den Äußerungen des
Bundesaußenministers und der Bundeskanzlerin
nicht vorgreifen.