Inwieweit gibt es
eine berechtigte Furcht vor dem Islam ?
Vortrag im
Interkulturellen Gesprächskreis Ahrensburg am 5. 9. 2007 in der
Volkshochschule gehalten von Esther Thomsen
Das Thema unseres heutigen Abends
stellt die Frage , inwieweit es eine berechtigte Furcht vor dem
Islam gibt. An einem Tag, an dem 3 muslimische Terroristen verhaftet
worden sind, ist sie besonders aktuell.
Natürlich gibt es den Islam
genauso wenig wie das Christentum, deshalb müssen wir
unterscheiden, was die Mehrheit der Muslime glauben und was
Fundamentalisten und Extremisten vertreten. Da im Journalismus nur
„schlechte Nachrichten gute Nachrichten sind“ , muss man sich nicht
wundern, wenn Meinungsumfragen belegen, dass ein Großteil der
Deutschen Angst vor dem Islam hat. Da die meisten keinen direkten
Kontakt mit Muslimen haben, sind sie auf die Medien angewiesen. Eine
Untersuchung der Sendungen von ARD und ZDF von 2005 bis 2007 zum
Thema Islam zeigt, dass sich 81% mit negativen Themen beschäftigen
wie Terroranschläge , Karikaturenstreit , Kofferbomber, Papstrede in
Regensburg, „Gefährliche Islamisten“, „Hassprediger“, „Islamisten
als Nachbarn“: hier erscheint die Religion als Gefahr, weil sie
gewaltbereit dargestellt wird und Konflikte in die Gesellschaft
bringt.. Nur 8% zeigen den normalen Alltag von Muslimen und 11% ihre
Kultur und Religion.
Hinzu
kommen noch islamfeindliche Internetseiten und Schriften wie die
von Hans-Peter Raddatz: „Von Allah zum Terror?“, der
vor dem Expansionsdrang des Islam warnt und ihm generell
Friedfertigkeit abspricht, oder das Buch von Henryk M. Broder,
„Hurra wir kapitulieren“. Broder warnt darin die Europäer vor
einer Politik der Beschwichtigung, sie gerieten damit in Gefahr, die
„Transformation Europas zu einem islamischen Kontinent zu
beschleunigen“. Er zitiert als Motto Winston Churchill: „Ein
Beschwichtiger ist einer, der ein Krokodil füttert in der Hoffnung,
dann als letzter gefressen zu werden.“- Den Islam mit einem
gefräßigen Raubtier zu vergleichen, das sich anschickt Europa zu
verschlucken, ist nicht gerade beruhigend! Da wundert man sich
nicht mehr, dass sich 23.000 Kölner in einem Bürgerbegehren gegen
den Neubau einer Moschee gewehrt haben - und dass ein
Gesprächsteilnehmer im Deutschlandfunk behauptete, der Gebetsaufruf
vom Minarett mit dem Bekenntnis: „Es gibt keinen Gott außer Allah“
sei eine Kriegserklärung an den christlichen Gott. Keiner hat diesen
Mann aufgeklärt, dass auch die arabischen Christen kein anderes Wort
für Gott als Allah haben. Man müsste also besser übersetzen „Es gibt
keinen Gott außer Gott!“ Es ist das Bekenntnis zum reinen
Monotheismus. Mohammed sieht sich in einer Traditionslinie mit
den Propheten der Bibel und Jesus, den er als Gottes Diener und
Wort der Wahrheit bezeichnet. Juden und Christen werden im Koran ahl
al kitab , Leute der Schrift, genannt, die respektiert
werden. Koranzitate: „Und sagt zu den Leuten der Schrift: Wir
glauben an das, was als Offenbarung zu uns und zu euch herabgesandt
worden ist. Unser und euer Gott ist einer. Ihm sind wir ergeben.“
(29,46) und „In der Religion gibt es keinen Zwang“ (2,,257) – „Wenn
es Gott nur gewollt hätte, so hätte er euch allen nur einen Glauben
gegeben, So aber will er euch in dem prüfen, was euch zuteil
geworden ist. Wetteifert daher in guten Werken, denn ihr werdet alle
zu Gott heimkehren, und dann wird er euch über das aufklären,
worüber ihr uneinig wart.“ (5, 49) Eine Stelle, die Lessing zu
„Nathan der Weise“ inspiriert hat.
Das Schlagwort von der „Ausbreitung
des Islam mit Feuer und Schwert“ ist von den Historikern längst
widerlegt. Die unvergleichlich schnellen Eroberungszüge unter den
ersten Kalifen hatten wirtschaftliche und politische Vorteile aber
keine Missionierung zum Ziel. Es sprach sich nach einigen
siegreichen Schlachten schnell herum, dass die Muslime den Städten
ehrenvolle Übernahmebedingungen gewährten. Berühmt ist der 2-
Vertrag von Kalif Omar mit Jerusalem von 636 und der seines
Feldherrn mit Damaskus, den ich zitiere: „Im Namen Gottes des
barmherzigen und gnädigen. Das folgende hat Halid ibn
al-walid den Einwohnern von Damaskus gewährt, als er die Stadt
betrat. Er hat ihnen eine Sicherheitsgarantie (aman) gegeben für ihr
Leben, ihr Hab und Gut, ihre Kirchen und ihre Stadtmauer; keines von
ihren Häusern soll zerstört oder (von Arabern) bewohnt werden. Dafür
haben sie die Bürgschaft Gottes und den Schutz seines Gesandten –
Gott segne ihn und schenke ihm Heil -, und seiner Nachfolger und der
Gläubigen; nur Gutes soll ihnen widerfahren, wenn sie Tribut
entrichten.“(D.h. eine Kopfsteuer, die von allen männlichen
Schutzbefohlenen erhoben wurde und manchmal geringer war, als die
von Byzanz erhobenen Steuern)
Die Muslime waren so klug, lieber
Steuern zu kassieren und von den Kenntnissen der Unterworfenen in
Wissenschaft und Verwaltung zu profitieren, als sie zu missionieren
oder auszurotten. Die Besiegten bekleideten bald hohe Ämter. Die
Werke der griechischen Philosophen wurden ins Arabische übersetzt,
In dieser Fassung wurde das antike Erbe an Scholastik und
Renaissance überliefert. Bagdad und Kairo wurden Zentren der
Gelehrsamkeit. Es war also die Toleranz der Muslime, die einen
meist kampflosen Übergang ermöglichte, der von einigen Besiegten
sogar als Befreiung erlebt wurde, denn die byzantinische
Reichskirche hatte alle monophysitischen Christen in Ägypten,
Palästina und Syrien als nicht rechtgläubig unterdrückt. (Es gibt
heute noch in Ägypten 10 Millionen koptische Christen). Auch die
germanischen Arianer und
später die von der Inquisition verfolgten Bogomilen auf dem Balkan
hießen die Muslime willkommen. In Spanien führte die Zusammenarbeit
von Muslimen, Juden und Christen zu einer Hochblüte von Kultur und
Wissenschaft, die erst mit der Reconquista 1492 und der Vertreibung
der Juden und Muslime, die sich nicht taufen lassen wollten, ein
Ende fand. Insgesamt hat vermutlich die Christliche Kirche bis dahin
mit Ihrer Inquisition und den Kreuzzügen mehr Menschenleben
ausgelöscht als der Islam.
Um verständlich zu machen, wie es
zu extremen terroristischen Gruppierungen im Islam gekommen ist,
erinnere ich zunächst an seine Hauptrichtungen. 90% der 1,2
Milliarden Muslime sind Sunniten, d.h. sie erkennen den Koran
als Gottes Wort und die Sunna, d.h. Gewohnheit, als maßgeblich für
ihr Leben an. Die Sunna ist überliefert in den Hadithen, das sind
Sammlungen über Leben und Wirken Mohammeds. Die Sunniten haben vier
anerkannte unterschiedliche Rechtsschulen (nach bedeutenden
Gelehrten der klassischen Zeit benannt, die malikitische, die
hanafitische, die schafiitische und die hanbalitische Schule, von
denen die hanafitische dem vernünftigen Ermessen den größten
Spielraum gibt (Türkei), während die hanbalitische die
traditionalistisch strengste ist, (praktiziert in Saudi-Arabien).)
.... Alle Sunniten erkennen die ersten vier Kalifen als
rechtgeleitet an.
Dagegen erkennen die Schiiten
oder Schiat Ali (Alis Partei) nur Ali, den Vetter und Schwiegersohn
Mohammeds und seine Nachkommen als rechtmäßige Nachfolger des
Propheten an. Ali wurde nach 5jähriger Amtszeit ermordet. Seine
Söhne Hassan und Hussein konnten ihren Anspruch auf das Kalifat
nicht durchsetzen. Hussein stellte sich in Kerbela einer Übermacht
des Kalifen Yezid im Kampf für sein Recht und wurde getötet. Seitdem
gedenken die Schiiten seiner und Alis als Märtyrer am Ashura-Tag mit
Prozessionen und Selbstgeißelungen (Hier liegt der Beginn des
Märtyrerkults für erlittenes Unrecht).
Im Iran wurde die Schia
Staatsreligion, im Irak leben 60% Schiiten und im
Libanon haben sich die Schiiten nach der Besetzung durch Israel 1982
zur Hisbollah, Partei Gottes, zusammengeschlossen. Sie
begingen als erste Selbstmordattentate als Widerstands- Aktionen
gegen einen überlegenen Feind. Dadurch sah sich Israel im Jahr 2000
gezwungen, den Südlibanon zu räumen.
3-
Gemeinsam sind allen Muslimen die
fünf Säulen des Islam: Glaubensbekenntnis, tägliches Gebet, die
Sozialabgaben, das Fasten im Monat Ramadan und die
Pilgerfahrt nach Mekka ( Eine Besonderheit der Zwölfer Schia ist
noch, dass sie die Wiederkehr des 12. Imam, der als Kind entrückt
worden sein soll, als Erlöser (Messias) erwarten.)
In Saudi-Arabien konnte der
Reformer Wahab Anfang des 19. Jh.s unterstützt von dem Herrscherhaus
Saud, einen besonders rigorosen, intoleranten Islam mit der Scharia,
dem islamischen Recht der Frühzeit, einführen. Man beseitigte in
Mekka und Medina, Najaf und Kerbala alle Spuren von Heiligen– und
Gräberverehrung. - Man könnte die Wahabiten als die ersten
Fundamentalisten der Neuzeit bezeichnen. Sie lehnen heute noch die
Schiiten als Ketzer ab.
Die Hinwendung zur eigenen früher
glanzvollen Geschichte oder auch die Radikalisierung einzelner
Gruppierungen im Islam wird nur verständlich, wenn wir uns die tiefe
Demütigung klarmachen, die im 19. Jh. die muslimische Welt insgesamt
durch das Eindringen der Kolonialmächte Frankreich und
England erlitt. Über Bengalen und das Mogulreich in Indien hatte
England sogar schon in der Mitte des 18. Jh. gesiegt. Ebenso als
Niederlage wurde die Auflösung des osmanischen
Reiches nach dem ersten Weltkrieg und seine Aufteilung in
französische und britische Mandatsgebiete erlebt. Man öffnete sich
zwar dem Einfluss Europas und ließ seine Kinder dort studieren, man
wollte an den Fortschritten der Moderne in Wissenschaft und Technik
teilhaben, aber nicht der Gefahr der Verwestlichung erliegen,
sondern am eigenen Erbe festhalten. Es entwickelte sich eine
salafiyya genannte Bewegung, die sich auf die salaf, die Vorväter,
bezog und auch in Indien Verbreitung fand. -
Ich nenne im folgenden vier
Reformer, die die Entwicklung im Islam stark beeinflusst haben.
Einige bejahen durchaus die Moderne, betonen aber die Rationalität
und Fortschrittlichkeit auch im Islam: Schon der Koran ermahne zur
Naturbeobachtung. Empirische Wissenschaften seien islamisch.
Veränderte Verhältnisse verlangten, sich nicht an starre Regeln
einer mittelalterlichen Rechtsschule zu halten. Man solle das Recht
auf eigene Rechtsfindung – idschtihad - wahrnehmen, so forderte der
europäisch gebildete Inder Muhammad Iqbal (1877- 1938) , ein
bedeutender Dichter und Gelehrter. Nach ihm ist „der Koran eine
Lehre zur Weiter- und Höherentwicklung. Der Mensch als Statthalter
Gottes auf Erden, sei gehalten, seine Persönlichkeit in stetem Kampf
mit den Mächten des Bösen zu entfalten und sich zum vollkommenen
Menschen zu entwickeln.“...
„Auch der Staat muss
alle seine Möglichkeiten entfalten, nur so kann er – wie auch der
Einzelmensch – Toleranz üben. Denn Toleranz ist die Haltung des
Starken gegenüber dem Ich des geachteten Partners. Der Islam ist für
ihn die Grundlage des idealen Staatswesens, da er allein den wahren
Monotheismus und die wahre Brüderlichkeit aller Gläubigen pflege.“
(A. Schimmel, S. 122f.) Auf seine Anregungen geht die Gründung
Pakistans zurück. Dort wird er als geistiger Vater verehrt. Er hatte
übrigens die Trennung von Staat und Religion in der Türkei begrüßt.
Er und der Politiker Jinnah wollten für Pakistan den säkularen
Staat. Solange sein Einfluß in Pakistan noch stark ist, muss man
nicht die Machtübernahme durch die Taliban befürchten.
Diesen friedlichen Reform- und
Modernisierungsplänen setzte sein Landsmann Abdul A’la
Maududi (1903 – 1979) ein kämpferisches Konzept entgegen. Er
glaubte dass die Macht des westlichen Säkularismus den Islam
zerstören wolle. Er gründete 1941 die Dschama’at i Islami.
Die Revolution gegen die Kolonialmächte sei für jeden Pflicht.
Maududi forderte einen universalen dschihad (meist fälschlich
als Heiliger Krieg übersetzt; ich erkläre die ursprüngliche
Bedeutung später). Wie der Prophet die dschahilija (die
Unwissenheit und Barbarei der vorislamischen Epoche) bekämpft
hatte, so sollten die Muslime mit allen Mitteln die moderne
dschahilija des Westens
4-
bekämpfen. Maududi behauptete, der
dschihad stünde im Zentrum des Islam. Das hatte bisher noch niemand
gesagt. Die Angst vor kultureller und religiöser Überfremdung hatte
zu einer extremen und gewalttätigen Auslegung des Glaubens geführt
mit Auswirkungen auf andere extremistische und terroristische
Gruppierungen.
Die einflussreichste Reformbewegung
in der arabischen Welt ging von dem Ägypter Hassan al Banna
(1906 – 1949) aus. Er gründete 1928 die Muslimbruderschaft,
die bald zu einer Massenbewegung wurde.. Banna war von der Armut der
Bevölkerung tief berührt und entwarf ein 6 Punkte Programm: 1.
die zeitgemäße Interpretation des Koran; 2. die Einheit der
islamischen Nationen; 3. die Anhebung des Lebensstandards und die
Durchsetzung von gesellschaftlicher Gerechtigkeit und Ordnung; 4.
der Kampf gegen Analphabetismus und Armut ; 5. die Befreiung
muslimischer Länder von der Fremdherrschaft; 6. die Förderung von
Frieden und Brüderlichkeit im Sinne des Islams überall auf der Welt.
Al Banna baute Schulen, Fabriken und Krankenhäuser, leitete
Abendschulen, hatte Einfluss in Armee und Gewerkschaften.
Als eine Art Staat im Staate wurde sein Verein mal verboten, mal
wieder zugelassen. 1949 wurde Al Banna erschossen (wahrscheinlich
auf Befehl des Königs). Die Hamas hat Bannas Programm
übernommen.
Mit dem Eintritt von Sayyed Qutb
(1906 – 1966) in die Moslembruderschaft 1951 vollzog sich die
Hinwendung zur Gewalt. Nach 3 Jahren Studium in den USA war Qutb
zutiefst von der moralischen Verderbnis der westlichen Welt
überzeugt und sah nur noch im Islam die Lösung für alle Probleme. Er
glaubte, „Die göttliche Ordnung“ als Gegenentwurf zum „Heidentum“
müsse mit Gewalt durchgesetzt werden. Die westlichen Entwürfe:
Demokratie oder Kommunismus hätten sich als Fehlschlag erwiesen.
Gleichwohl macht er Anleihen bei Karl Marx, die er auf den Islam
überträgt: (Zitat, Mandani, S. 66) „Der Islam ist eine
Freiheitserklärung für jeden Mann und jede Frau, die keinem anderen
menschlichen Wesen dienen sollen. Er strebt danach, all jene Systeme
und Regierungen umzustürzen, die darauf begründet sind, dass ein
Mensch über den anderen herrscht oder die einen die anderen
versklaven.“ Eine Avantgarde muss den Machtwechsel herbeiführen.
Hier greift Qutb Maududis Lehre vom Dschihad auf und radikalisiert
sie noch. Nicht nur gegen den Westen, auch gegen muslimische
Regime besteht die Pflicht zum Dschihad, wenn sie andere
unterdrücken. Sie gehören dann zur vorislamischen dschahilija, sind
keine echten Muslime mehr; das rechtfertigt dann jede Art von
Gewalt gegen sie. Anders als der gemäßigte al
Banna, der für soziale Reformen innerhalb seiner Gesellschaft
kämpfte, glaubte Sayyid Qutb nach jahrelangem Aufenthalt in Nassers
Gefängnissen nicht an die Möglichkeit mit säkularen Intellektuellen
zusammen die Gesellschaft reformieren zu können. Nach einem
Attentatsversuch auf Nasser ließ dieser ihn 1966 hinrichten.
Seit 1972 bekennt sich die Führung
der Moslembrüder zur Gewaltlosigkeit. Sie gelten heute als gemäßigt
und nehmen erfolgreich an Parlamentswahlen teil; allerdings sind sie
nicht als Partei zugelassen. Ende der 70er Jahre spalteten sich 2
gewaltbereite Gruppen ab, die sich stärker den Ideen von Sayyid Qutb
verpfichtet fühlten. Sie nannten sich „Takfir wa’l hidschra“
und „Islamischer Dschihad“. Auf das Konto dieser
Gruppe geht die Ermordung von Präsident Anwar al-Sadat (1981). Zu
ihr gehörte der Kairoer Arzt Aiman al-Sawahiri, der wie viele
Qutb-Anhänger als Gotteskrieger gegen die ungläubige Sowjetunion in
den Afghanistankrieg zog und dann Osama Bin Ladens Chefideologe
wurde.
Mit ihren
Schriften und ihren Forderungen nach einem universalen bewaffneten
Dschihad im Namen Gottes wurden Maududi und Qutb also zu Vordenkern
des radikalen, terroristischen Islam, wie ihn al Qaida und die
Taliban repräsentieren, die eine gefährliche Minderheit darstellen
mit zunehmender
5-
Anhängerschaft.
Zusammenfassend sagt Abbas Beydoun
(ein libanesischer Autor) dazu: „Die
Gewalt, die wir heute erleben, ist eine islamische Gewalt nach der
kolonialistischen Invasion“ (auch Israel zählt zu den
Kolonialstaaten), eine Invasion, die von vorher nicht gekannter
Brutalität war und Mord und Kollektivstrafen und kulturelle
Verachtung einschloss“ (Der
Islam und der Westen,S.83)
Mahmoud
Mandani behauptet darüber
hinaus (in seinem Buch „Guter Moslem, böser Moslem“) ,
dass die islamistisch-terroristischen Bewegungen
vor allem im antikommunistischen Stellvertreterkrieg
von 1979 bis 1989 in Afghanistan
ihre Schlagkraft erhalten haben,
wo sie - von den USA, Saudi-Arabien und Pakistan massiv unterstützt
– durch die CIA mit modernsten
Waffen ausgerüstet wurden. Nachdem die Gotteskrieger den einen
Satan besiegt hatten, schickten sie sich an, den 2. großen Satan mit
Terror zu bekämpfen, nämlich die USA, die sie gefördert hatte. Aber
auch in islamische Länder brachten die vagabundierenden Mudschahedin
den Terror, vor allem nach Algerien, Ägypten und später Riad
Marokko, Tunesien, Istanbul, wo sie von der Bevölkerung abgelehnt
wurden. -
Eine neue Qualität erreichte der
Kampf gegen die USA mit den Anschlägen vom
11.
September 2001.
„Der Tod wird Euch finden“! Dieser Buchtitel fasst die Absicht der
19 Attentäter (die meisten stammten aus Ägypten und Saudi-Arabien)
zusammen und beschreibt unser Schockerlebnis. Der Tod traf fast
3000 Menschen und fragte nicht, nach schuldig oder unschuldig. Die
westliche Welt erlebte, dass sie nicht unverwundbar ist. Muslime
gerieten unter Generalverdacht. Es nützte wenig, dass
Sheikh Tantawi
von der ehrwürdigen Al-Azhar Universität in Kairo, den Islamismus
der Täter als Verfälschung des Islam bezeichnete, denn
der Koran verbiete den Selbstmord und die Tötung
Unschuldiger. –
Präsident
Bush rief in seiner Rede an
die Nation zum „Krieg gegen den Terror“
auf
(zuerst sprach er sogar von
„Kreuzzug“). Er benannte sofort Nordkorea, Irak und Iran als die
Achse des Bösen,
weil sie mit Terroristen liiert
seien und aufrüsteten – „sogar mit Massenvernichtungswaffen - „um
den Weltfrieden zu bedrohen“. Den Krieg gegen den Schurkenstaat
Afghanistan sah er als
gerechtfertigt an, weil die Terroristen vernichtet werden müssen,
die „unsere Freiheiten unsere Werte und unsere Zivilisation hassen“
(George W. Bush). Osama Bin Laden kündigte daraufhin Rache an „gegen
den neuen Kreuzzug, den der Westen.. zur Vernichtung des Islam
vorbereitet“. Beide Bush und Bin Laden haben ein schwarz-weißes
Weltbild: Wir sind gut, sie sind böse. Wer nicht bedingungslos für
uns ist, sagte Bush, der unterstützt den Terrorismus.
Beim
Krieg gegen das Talibanregime,
das selbst von Teheran als Steinzeitislam ettikettiert wurde, gab es
noch eine breite Unterstützung auch von muslimischen Staaten. Aber
beim Irak,
der – anders als behauptet - keine Verbindung zu Al.-Qaida hatte und
auch keine Atomwaffen, machten Frankreich und Deutschland nicht mehr
mit und auch die arabischen Staaten warnten,
Bush würde das Tor zur Hölle öffnen.
Die muslimische Welt sah in Bush’s
Krieg einen Kreuzzug gegen den Islam verbunden mit den ökonomischen
Interessen an den Ölreserven.
- Die Bilder von den Friedensdemonstrationen in Europa und den USA
waren für die Muslime ein wichtiges Signal, dass nicht alle mit der
Kriegspolitik einverstanden waren.
Zum
Feindbild Islam hat
wesentlich auch der Pentagonberater Samuel
Huntington beigetragen mit
seinem Buch: „Kampf der Kulturen“
(The Clash of Civilizations). Er spricht dort von der „muslimischen
Neigung zum gewaltträchtigen Konflikt“ (S.421) „Die Grenzen zum
Islam sind blutig und das Innere ist es auch“ (420).“Das tiefere
Problem für den Westen ist nicht der islamische Fundamentalismus,
Das tiefere
6-
Problem ist der Islam, eine andere
Kultur, deren Menschen von der Überlegenheit ihrer Kultur überzeugt
und von der Unterlegenheit ihrer Macht besessen sind. Das Problem
für den Islam ist nicht die CIA oder das US amerikanische
Verteidigungsministerium. Das Problem ist der Westen, ein anderer
Kulturkreis, dessen Menschen von der Universalität ihrer Kultur
überzeugt sind und glauben, dass ihre überlegene, wenngleich
schwindende Macht ihnen die Verpflichtung auferlegt, diese Kultur
über die ganze Erde zu verbreiten.“ (350). Die USA müssten sich mit
Europa eng zusammenschließen und ihre globale Rolle als
Führungsnation der westlichen Kultur übernehmen (507). Huntington
warnt die westlichen Staaten, sie müssten zusammenhalten, wenn sie
nicht einzeln vernichtet werden wollten.
„We
have to hang together, if we don’t want to
hang separately“!
(Kampf der Kulturen oder
Weltkultur, S. 37) – Krieg scheint damit unvermeidbar und auch
Bush’s Präventivkrieg gegen den Irak gerechtfertigt, sowie sein
missionarisches Sendungsbewusstsein, den Besiegten Freiheit und
Demokratie zu bringen. Doch statt den Terror zu besiegen, hat Bush
ihm mit diesem Krieg
zur Ausbreitung in der ganzen Welt
verholfen. Auf Bali ein Anschlag auf eine Touristendiskothek: 202
Tote. Madrid 2004 Anschlag auf Nahverkehrszüge: 191 Tote ; in London
2005 52 Tote. 2006 zwei Kofferbomben in Köln zum Glück nicht
explodiert. Im Irak seit 2003 eine schreckliche Bilanz: über 1
Million getötete Iraker, darunter viele Frauen und Kinder, 3735
getötete Amerikaner, unzählige Verwundete und 4 Millionen Iraker auf
der Flucht! (Eine Art ethnische Säuberung, die Schiiten fliehen in
den Süden, die Sunniten in den Nordwesten). Die Hauptlast des
Flüchtlingsstroms tragen Syrien und Jordanien und Iran. Die USA
nehmen nur wenige auf.
Und der
nächste Präventivkrieg wird
schon vorbereitet – wie Analysten in den USA vermuten. In seiner
Rede am 28.8.07 beschuldigte Bush die iranischen Revolutionsgarden,
die Aufständischen im Irak mit Waffen zu versorgen. Seine
Kommandeure sollten daher Teherans „mörderischen Aktivitäten“
entgegentreten. Die Weiterentwicklung der Atomtechnologie durch den
Iran drohe eine instabile Region
„unter den Schatten eines nuklearen
Holocaust“ zu bringen;
“Iran’s Aktionen bedrohen die Sicherheit
von Nationen überall!“ „Wir werden die Gefahr bekämpfen,
bevor es zu spät ist!“
Diese Ankündigungen machen mir Angst. Auch dass Bush die
Revolutionsgarden zu Terroristen erklärt hat, werten Fachleute als
Vorzeichen für einen kommenden Militärschlag. Die versprochenen
Waffenlieferungen an Israel für 30 Milliarden $ (in den nächsten 10
Jahren), an Ägypten für 13 Milliarden $, an Saudi-Arabien für 20
Milliarden $ und auch noch an Jordanien, ausdrücklich zur
Stabilisierung gegen Iran, Syrien; Hisbollah und Hamas gedacht,
lässt für den Frieden nichts Gutes ahnen. Statt auf Verhandlungen
vertraut man auf die Überlegenheit der eigenen Waffen.
Der
Theologe Hans Küng hat dem
amerikanischen Konzept der Konfrontation vehement widersprochen.
Statt eines Zusammenpralls der Kulturen müsse es
einen Dialog der
Kulturen geben. Er
berichtet in seinem Buch „Der Islam“, dass als Antwort auf
Huntington die UNO Vollversammlung das Jahr 2001 zum Jahr des
Dialogs erklärt hatte auf Antrag des damaligen iranischen
Präsidenten Khatami,
der die Hoffnung ausdrückte, „dass durch
solch einen Dialog die Verwirklichung von universeller Gerechtigkeit
und Freiheit angestoßen
werden möge. Zu den kostbarsten Errungenschaften dieses Jahrhunderts
gehört, dass der Dialog und die Ablehnung von Gewalt, die Förderung
des Verstehens auf den Feldern Kultur, Wirtschaft und Politik, die
Festigung der Grundlagen von Freiheit. Gerechtigkeit und
Menschenrechten als notwendig und bedeutend akzeptiert werden...Wenn
die Menschheit...Feindseligkeit und Konfrontation durch Diskurs und
gegenseitiges Verstehen ersetzt, dann wird sie künftigen
Generationen ein unschätzbares Erbe
7-
hinterlassen.“ (S. 776) – Diese
Worte stießen auf allgemeine Zustimmung, gerade auch bei den
muslimischen Staaten, die maßgeblich an dem „Manifest
für den Dialog der Kulturen“
beteiligt waren. – (Schade, dass
das Manifest in Amerika keine Beachtung fand und Khatami einen so
verbohrten Nachfolger bekam!)
Zum Abschluss meiner Ausführungen
möchte ich betonen, dass die Mehrheit der Muslime die Taliban und
Al-Qaida, die mit einem weltweiten dschihad gegen die Ungläubigen
Terror und Schrecken verbreiten wollen, als unislamische Irrlehre
ablehnt.
Gläubige Muslime beschreiben ihre
Religion so: Schon das Wort Islam
enthalte die Wortwurzel s-l-m, was heil sein bedeute und auch in den
Worten für Frieden silm und salam enthalten sei. „Islam heißt: sich
ganz Gott hingeben,..umschreibt sowohl den Zustand des Heils...als
auch den des Friedensschlusses mit Gott, mit den Menschen und mit
sich selbst.“ (M.S.
Abdullah, S. 13) Wie ist dann aber das
Wort Dschihad zu
verstehen? Ganz bestimmt nicht als Heiliger Krieg sagen die
Rechtsgelehrten, denn die Wörter für Krieg heißen im Arabischen
„qital“ und „harb“. Die Grundbedeutung von Dschihad ist „sich
bemühen, sich anstrengen auf dem Weg Allahs. Man unterscheidet –wie
schon Mohammed – den großen Dschihad, damit ist der Kampf gegen die
eigenen schlechten Eigenschaften gemeint, also das Bemühen ein
besserer Mensch zu werden, vom untergeordneten kleinen Dschihad, dem
Kampf für die Selbsterhaltung, aber auch für Verfolgte und
Unterdrückte und für die Verteidigung der Glaubensfreiheit, was man
eventuell als gerechter Krieg
wiedergeben könnte. Islamische Theologen weisen darauf hin, dass
kriegerische Handlungen von Mohammed eigentlich nur zu Verteidigung
und Schutz der Gläubigen gerechtfertigt werden. Viele Verse – vor
allem die blutrünstigen - bezögen sich auf den Kampf mit den
ungläubigen Mekkanern , deren große Übermacht der Prophet in der
Schlacht von Badr besiegt hatte. „ Wenn ihr im Krieg mit den
Ungläubigen zusammentrefft, dann schlagt ihnen die Köpfe ab, bis ihr
eine große Niederlage unter ihnen angerichtet habt. Die übrigen legt
in Ketten und gebt sie, wenn des Krieges Lasten vorbei sind
entweder aus Gnade umsonst oder gegen Lösegeld frei...Die für Allahs
Religion kämpfen (und sterben), deren Werke sollen nicht verloren
sein Allah wird sie leiten und ihr Herz in Frieden bringen und sie
in das Paradies führen, das er ihnen angekündigt hat. „ (Sure 47,
5-7) und Sure 22,39f: „Erlaubnis zu kämpfen ist denen gegeben, die
bekämpft werden, weil Ihnen Unrecht geschah – und Gott hat fürwahr
die Macht ihnen zu helfen -, jenen die schuldlos aus ihren Häusern
vertrieben wurden, nur weil sie sprachen: Unser Herr ist Gott! ..Und
kämpfet für Gottes Sache gegen jene, die euch bekämpfen, doch
überschreitet das Maß nicht...Und bekämpft sie bis keine Verfolgung
mehr ist.“ ..“Wenn sie (die Feinde) sich dem Frieden zuneigen, dann
neige auch du dich ihm zu und lass vom Kampf ab!“(8,61) Terroristen
wie al-Qaida können sich nicht auf Mohammed berufen bei ihrem
gnadenlosen Dschihad gegen alle, die nach ihrer radikalen Meinung
zur dschahilija gehören, ganz gleich ob Juden und Christen, die
Leute des Buches, oder andere Muslime oder Atheisten. - Für
Mohammed gehörten nur die Götzendiener wie die von Mekka dazu und
die hat er nach dem Kampf durch eine kluge Politik für sich gewinnen
können.
„Nicht
der kämpferische, kriegerische Mensch ist das Ziel islamischer
Erziehung und Ethik, sondern der dem Islam, dem Frieden dienende
Mensch“ sagt Muhammed
S.Abdullah, S. 123) Er zitiert dazu Sure 5, 33: „Wenn jemand einen
Menschen tötet, so soll es sein als habe er die ganze Menschheit
getötet; und wenn jemand einem Menschen das Leben erhält, so soll es
sein, als habe er der ganzen Menschheit das Leben erhalten.“ Und im
berühmten Pflichtenkatalog Sure 17, 22-39, Vers 33 steht: „Tötet
kein Leben, das Gott unverletzbar gemacht hat“. Schließlich
8-
noch Sure 49, 14 zum Frieden
zwischen den Völkern: „O ihr Menschen, wir haben euch von einem Mann
und einem Weib erschaffen und euch in Völker und Stämme eingeteilt,
damit ihr liebevoll einander kennen mögt. Wahrlich, nur der von euch
ist am meisten bei Allah geehrt, der am frömmsten unter euch ist;
denn Allah weiß und kennt alles.“ Dazu noch Hans Küng, der in seinem
Schlusskapitel darauf hinweist, dass es ein auch
mit dem Islam gemeinsames Weltethos
gibt, das 4 elementare ethische
Verpflichtungen enthält:
° 1. Eine Kultur der
Gewaltlosigkeit und der Ehrfurcht vor dem Leben.
° 2. Eine Kultur der Solidarität
und der gerechten Wirtschaftsordnung (hier unterstreicht Hans Küng
die zentrale Bedeutung von Gerechtigkeit im Koran: „IHR Gläubigen;
steht Gott gegenüber als Zeugen für die Gerechtigkeit ein! Und der
Hass, den ihr gegen Leute hegt, soll euch nicht dazu bringen, dass
ihr nicht gerecht seid. Seid gerecht, das entspricht mehr der
Gottesfurcht.“ (Sure 5, 8) „Eine ungerechte Gesellschaftsordnung
kann keine islamische Ordnung sein. Der Koran verlangt, dass die
Überschüsse... an die Bedürftigen und Arman verteilt werden.“
° 3. Eine Kultur der Toleranz und
des Lebens in Wahrhaftigkeit
° 4. Eine Kultur der Gleichheit
und des Humanitätsprinzips
(dazu gehört: „Die Frauen haben
(in der Behandlung von Seiten der Männer) dasselbe zu beanspruchen,
wozu sie (ihrerseits den Männern gegenüber) verpflichtet sind,
(wobei) in rechtlicher Weise (zu verfahren ist).“... „Gott hat den
Menschen vor allen anderen Geschöpfen ausgezeichnet und ihn zu einem
Statthalter auf Erden eingesetzt“ Sure 2, 30 ; und die
Goldene Regel
der Gegenseitigkeit wie in der Sunna überliefert: „Keiner von euch
ist ein Gläubiger, solange er nicht seinem Bruder wünscht, was er
sich selber wünscht“.) (Küng, S.779f) Küngs Anerkennung des Islam
geht sogar noch einen Schritt weiter als die der Katholischen
Kirche, die im 2. Vatikanischen
Konzil 1964 „auch die Muslime mit Hochachtung betrachtet, die den
alleinigen Gott anbeten..., der zu den Menschen gesprochen hat“,
dann müssten seines Erachtens alle christlichen Kirchen „auch
den einen mit Hochachtung betrachten“,
„...der allein die Muslime zur Anbetung dieses Gottes geführt hat
und nun einmal durch ihn
„dieser Gott zu den Menschen
gesprochen hat“: Muhammad, den Propheten!
-
Zuletzt noch einige Angaben aus
dem Verfassungsschutzbericht von 2006:
Die Zahl der Muslime in Deutschland beträgt 3,2 Millionen. Der
weitaus größte Teil aller Muslime verhält sich gesetzestreu, nur
eine Minderheit von 1% (32.000) hat sich islamistischen Organisationen
angeschlossen, für die nur Koran und Scharia verbindlich sind. Von
diesen sind mehrere hundert gewaltbereit und befürworten Al-Qaida.
Hisbollah- und Hamasanhänger sind dagegen auch in Krisenzeiten
(Libanon) nicht auffällig geworden und distanzieren sich von der
Ideologie Al-Qaidas
Auch bei noch so guter Wachsamkeit
lässt sich die Gefahr von Terroranschlägen nur reduzieren aber nie
ganz verhindern. Doch ist bei uns die Wahrscheinlichkeit bei einem
Verkehrsunfall ums Leben zu kommen um ein Vielfaches höher. -
Die
Zunahme des Terrorismus hat politische Gründe, die nicht zuletzt die
USA und Israel mit ihrer harten Besatzungspolitik zu verantworten
haben. Der Aufstand im Irak
richtet sich gegen die US-Truppen und alle, die mit ihnen
zusammenarbeiten; auch die unter Saddam geschützten christlichen
Minderheiten werden verfolgt, weil man sie mit dem feindlichen
Westen verbindet. Über die Hälfte von ihnen sind seit 2003 geflohen.
Die bislang schlimmsten Selbstmordattentate trafen im August die
Minderheit der kurdischen Jesiden, die – wie die Christen - keine
eigene Miliz haben, mit 500 Toten, 70% Frauen und Kinder. -
Innermuslimische
9-
Auseinandersetzungen, bei denen
es um Machtverteilung geht, haben zugenommen. Es ist umstritten, wer
für die Sprengung der berühmten goldenen Kuppel der
schiitischen Pilgerstätte in Samarra
Anfang 2006 verantwortlich war. Jedenfalls hat
sie ihr
Ziel erreicht, die Kämpfe zwischen Schiiten und Sunniten anzuheizen.
Im Juni 2007 wurden noch die beiden Minarette gesprengt. „Sollen sie
sich doch gegenseitig umbringen“, kommentierte ein amerikanischer
Politiker.
Das Konzept einen Bürgerkrieg
anzufachen wurde auch in Palästina
nach den demokratischen Wahlen 2006 erfolgreich erprobt. Die USA
(und Israel) rüsteten die Verliererpartei Fatah mit Waffen aus, um
die siegreiche Hamas in die Knie zu zwingen, nachdem man ihre
Politiker gleich dutzendweise inhaftiert hatte. Auch Europa machte
mit bei der Sanktions- und Aushungerungspolitik, jetzt verschärft
gegen den Gazastreifen, in dem der designierte Premierminister
Haniyeh einem Coup der Fatah zuvorkommen konnte. Präsident Abbas
wird gedroht, er dürfe keinen Kontakt zur Hamas aufnehmen, sonst
gäbe es keine Gespräche und kein Geld mehr.
Uri Avnery
von der israelischen Friedensbewegung Gush
Shalom warnt vor dieser
falschen Politik. Um eine Katastrophe zu vermeiden, sei jetzt der
richtige Zeitpunkt, die besetzten Gebiete zu räumen, Frieden zu
schließen und mit den Nachbarn Beziehungen zu knüpfen, wie die
arabische Initiative vorschlägt. Der ungelöste
israelisch-palästinensische Konflikt sei die Hauptursache für den
Aufstieg des islamischen Radikalismus, den Uri Avnery mit einem
Erdbeben vergleicht, „das eines Tages einen zerstörerischen Tzunami
verursachen kann“. Diese Meinung wird von Vielen geteilt. Der Autor
Robert Fisk klagt angesichts der Tragödie im Nahen Osten die
Ignoranz und die Doppelmoral des Westens an, der völlig
unglaubwürdig geworden ist, wenn er von Menschenrechten, Demokratie
oder Freiheit redet. . Werden die Europäer weiter Komplizen des
Unrechts sein?. Werden wir vielleicht die Wiederbesetzung des
Gazastreifens unterstützen? Werden wir zu allem schweigen, nicht
wagen Israel zu kritisieren? Wir werden es so halten –fürchtet der
Autor- „bis die gesamte Region vor unseren Augen explodiert“.
Nachtrag:
Seit Abu Hanifa (8. Jh.) ist es üblich geworden die Welt in
Haus des Islam
oder Friedens (dar al-islam) und Haus des
Krieges (dar al –harb)
einzuteilen. Was in der Geschichte manchmal als Aufforderung,
angrenzende feindliche Gebiete für den Islam zu erobern, aufgefasst
wurde. Später wurde es wieder defensiv ausgelegt: Abgrenzung und
Schutz für die Muslime. Verträge mit nicht feindseligen Ländern. Für
Abu Hanifa ist entscheidend, ob Länder Muslimen Rechtssicherheit
gewähren, dann dürfen sie nicht länger als „Schlupfwinkel des
Krieges“ angesehen werden, sondern gelten als islamisch. (Abdullah,
S. 128f) Nach hanafitischer Rechtslehre gehört die Bundesrepublik
eindeutig nicht zur Welt des Krieges!
Nachtrag:
Wahlen in der Türkei. Sie
haben bei einigen Ängste ausgelöst, sie sprachen von
„Schicksalswahl“ und befürchten den „Wandel der Türkei zum
Gottesstaat“. Die Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung von
Erdogan hat 47% der Stimmen erhalten, sie wird zwar als
islamisch-konservativ bezeichnet, aber sie bekennt sich zur Trennung
von Staat und Religion, zur Wahrung des Laizismus, zu den
Menschenrechten, zu einer liberalen Wirtschaftspolitik und sie
erstrebt die Vollmitgliedschaft in der EU. Präsident Gül hat
versichert, dass er für alle Türken – nicht nur Muslime, sondern
auch Atheisten ein guter Präsident sein will. Im Kopftuch seiner
Frau kann ich keine Bedrohung erkennen. Nur 4% seiner Wähler haben
sich für die Einführung der Scharia ausgesprochen, 96% aber dagegen.
-
Arte brachte neulich eine Sendung
über Anhänger des aufgeklärten Islam (mit Beispielen aus Frankreich
und Jordanien), die trotz aller Bedrohungen den radikalen Islam
bekämpfen. Sie glauben, dass Mohammed heute auf ihrer Seite stehen
würde.
Quellen:
Karen Armstrong: Kleine Geschichte
des Islam, 2001, Berliner TB;
Muhammad Salim Abdullah: Islam
für das Gespräch mit Christen, 1992;
Annemarie Schimmel : Der Islam,
eine Einführung, Reclam 1990;
Heinz Halm: Der Islam, Geschichte
und Gegenwart, 2002;
Hans Küng: der Islam, Piper Verlag
2004;
Der Koran, Reclam oder Goldmann
Verlag;
Michael Thumann: Der Islam und der
Westen, 2003;
Samuel Huntington: Kampf der
Kulturen, 1996;
Diskussion 1997 Alfred Herrhausen
Gesellschaft: Kampf der Kulturen oder Weltkultur?;
Mahmoud Mandani: Guter Moslem,
böser Moslem, Amerika und die Wurzeln des Terrors, 2006;
Michael Lüders: Allahs langer
Schatten, Warum wir keine Angst vor dem Islam haben müssen, 2007
Wörterbuch: Ethik der
Weltreligionen von Klöcker/Tworuschka, 1995
Henryk M. Broder: Hurra, wir
kapitulieren! , 2006
Verschiedene Artikel aus dem
Internet |