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Noch mehr Demütigungen am Flughafen
Über Ruth Hiller (Israeli Feminist Forum , 19.11.06)

 

Es ist Zeit, dass die Opfer über ihre Demütigungen und Misshandlungen sprechen … jeder Nicht-Jude/ Nicht-Jüdin, der / die in Israel lebt, ist in dieser oder  jener Weise  bei verschiedenen Anlässen Demütigungen durch die führende israelische Macht ausgesetzt. Dies ist keine e-mail gegen Juden oder das isr. Volk, es ist eine e-mail gegen  die misshandelnde Behörde, es ist eine Mail, die die Opfer zu Wort kommen lassen will, die man sonst nicht hört – in der Hoffnung, dass man die Dinge, wie sie jetzt sind verändert. RH

 

Gestern  fuhr meine Mutter, die Dozentin für Kriminologie an der hebräischen Universität in Israel ist, also israelische Bürgerin, zum Flughafen, um zu einer Konferenz  über Rechte der Frauen nach Tunis zu fliegen. Was sie im israelischen Flughafen erlebte, ist eine demütigende Erfahrung, die viele von uns nicht-jüdischen Frauen  durchmachen. Wir sind aber bis jetzt ruhig geblieben und haben ihnen diese Misshandlung nicht heimgezahlt. Nun ist es an der Zeit zu sagen: jetzt reicht es! Es ist an der Zeit, dass die Stimmen der Stummen gehört werden. Dabei geht es nicht nur um physische Misshandlung, es ist auch  seelische und emotionale Misshandlung, die auf die Dauer noch mehr schmerzen … bitte lest den Brief, den meine Mutter an ihre auf sie wartenden Freunde in Tunis  geschrieben hat …

 

„Liebe Freunde, ich muss euch leider mitteilen, dass die israelischen Sicherheitskräfte am Flughafen  mich daran gehindert haben, an der Konferenz in Tunis teilzunehmen.

Der Prozess der Demütigung begann schon am Tor zum Flughafengelände. Wie ihr wisst, lebe ich in der Altstadt von Jerusalem und ich benützte eine Fahrgelegenheit aus meinem Wohngebiet. In dem Augenblick, in dem sie erfuhren, dass mein Fahrer und ich in Ost-Jerusalem leben, sollten wir am Straßenrand parken. Wir wurden aufgefordert, mit  meinem Gepäck ihnen zu folgen, damit eine Körper- und Gepäckkontrolle gemacht werden könne. Ein junger Soldat, der mich  in einem kleinen Raum am Flughafentor durchsucht, sagt mir, ich solle meine Schuhe ausziehen;  er nimmt uns unsere Mobiltelefone weg und fordert uns auf, so lange zu warten, bis man den Wagen genau kontrolliert habe. 40 Minuten dauerte es.

 

Nach diesem Procedere gelang es mir, in den Flughafen zu kommen. Dort gingen die Demütigungen weiter. Ich war die einzige, die so lange hat warten müssen. Ich wusste, dass sie eine Sicherheitskontrolle machten: mein Name, meine Adresse und andere Informationen. Eine junge Soldatin versuchte, mir zu helfen; sie wollte ihren Chef davon überzeugen, mich durchgehen zu lassen. Schließlich kam sie und bat mich, mein Gepäck  in den  Röntgenapparat zu legen. Danach kam ein anderer Sicherheitsmann, der mich aufforderte, mit all meinen Sachen ihm zu folgen – zu  einer weiteren Durchsuchung. Hier waren es 3-4 Sicherheitsleute, die meine kleine Tasche, meine PC-Tasche und meine Handtasche untersuchten.

 

Sie begannen damit, die Kleidung aus dem Gepäck zu nehmen, meine Schuhe, die Unterwäsche, das Make-up, Medikamente und legten alles durcheinander auf einen Tisch. Ich war die einzige, die so durchsucht wurde. Ich wusste nicht, wonach sie suchten. Mein Lesematerial war über den Tisch mit der Kleidung  und dem anderen verbreitet. Schuhe wurden auf das Photo meiner Töchter gestellt. Meine Visitenkarte, meine Papiere und alles rücksichtslos behandelt, auch  die Seiten meines Referates flogen durcheinander auf den Boden .. ich wusste nicht, was ich tun sollte und war nahe dran zu weinen. Ich bat das Sicherheitspersonal, das gerade mein gedrucktes Material untersuchte, es möchte doch die verschiedenen Artikel  nicht durch einander bringen. Man antwortete mir in vulgärem Ton, dass ich das später wieder in Ordnung bringen könnte. Einer leerte mein Portemonnaie aus, das Geld, die Kreditkarten … ein anderer  machte sich auf Hebräisch über den BH lustig und glaubte, ich würde ihn nicht verstehen. Sie nahmen mir das Handy weg, so dass ich niemanden um Hilfe bitten konnte. Irgendwann klingelte es, doch bis ich es erhielt, war der Anruf weg.

 

Während ich all meine Dinge in einem Durcheinander dort liegen sah und wie gelähmt von ihrer Unmenschlichkeit dastand und nicht mehr folgen konnte, wer wo  was tat … es war einfach schrecklich und schmerzlich. Ich konnte meine Tränen nicht zurück halten und fragte mich, wie viel Erniedrigung, Schande und Degradierung man im Namen der „Sicherheit“ noch ertragen muss. Ich ging zu meinem Gepäck, um mir ein Taschentuch zum Tränen abwischen zu holen. Da schrie mich einer  der Sicherheitsleute an, dass ich meine Sachen nicht berühren dürfe. Während ich  mich in diesem Zustand befand … kam der verantwortliche  Sicherheitsbeamte und sagte mir, ich könne mein schriftliches Material nicht mit ins Flugzeug mitnehmen. Ich begann mit Tränen und zornig zu erklären, dass ich auf diesem fünfstündigen Flug mein Lesematerial unbedingt benötige. Nach langem Debattieren  bekam ich schließlich die Genehmigung, dass ich mein schriftliches Material – inzwischen völlig durch einander -  mit ins Flugzeug nehmen könne.

 

Die Zeit verging rasend, und ich befürchtete, meinen Flug nicht zu bekommen ….Dann kam der Chef des Sicherheitsdienstes und sagte mir, ich dürfe den Laptop nicht mit mir ins Flugzeug nehmen. Ich war inzwischen so verletzt, sah auch, wie sie sich über meine Kleidung lustig und  über mich lächerlich machten,  meine Zahnbürste auf den Boden fallen ließen … so versuchte ich trotzdem, ihnen klar zu machen, dass ich nicht ohne meinen Laptop fliegen könne. Ich versuchte, mich zu beruhigen und bat darum, den Vorgesetzten zu rufen. Er kam und stellte sich mir mit Tal Vardi vor. Er war  unhöflich, und unverschämt. Ich versuchte, ihm zu erklären, wie wichtig für mich der Laptop war, um meinen Vortrag vorzubereiten und dass ein Laptop Tunesien niemals erreichen würde, weil er höchstwahrscheinlich gestohlen wird…. Er bestand darauf, dass ich den Laptop nicht mit mir nehmen könne. Ich sagte ihm, wenn dies eine Regel sei, dass man einen Laptop nicht mitnehmen könne, dann solle man doch die Leute vorher davon unterrichten … Tal Vardi erwiderte mir in derart demütigender und sarkastischer Weise – während das ganze Team um ihn herum stand: „ Das nächste Mal soll ich Sie also vor ihrem Flug anrufen? Glauben Sie denn, wir haben die Zeit für Sie?“

 

In diesem Augenblick entschied ich mich, um zusätzliche Hilfe zu rufen, denn Tal Vardi weigerte sich, mit mir zu reden und ließ mich allein. Drei Sicherheitsleute steckten meine Sachen irgendwie in den Koffer, nahmen die Batterie aus dem Computer, packten ihn ohne meine Genehmigung ein. Ich rief Bilha Cohen an, die Sekretärin des Institutes für Kriminologie; sie gab mir die Telefonnummer des Dekanbüros. Ich rief  Aliza an, die Sekretärin des Dekans. Sie gab mir seine private Telefonnummer … Doch er sagte, er könne nichts für mich tun, ich solle seinen Vertreter anrufen –  er war nicht zu Hause… Inzwischen war es 20 Minuten vor dem Abflug und mein PC eingepackt, um nach Tunesien geschickt zu werden – wie sie planten. 

Dann begann ich vor lauter Wut zu schreien und sagte ihnen, dass ihre Art, Menschen zu behandeln nicht mehr menschlich sei: ich hatte ihnen erlaubt alles in meinem Gepäck zu kontrollieren, dass ich mit ihnen zusammen gearbeitet habe – aber sie behandelten mich in unverschämter und unmenschlicher Weise … Ihr Reden, ihre Art, sich über mich lustig zu machen, ihre Respektlosigkeit ließ mich ihnen sagen, dass ich nicht fliegen werde. Ich nahm mein Gepäck, nahm den Laptop aus der Hülle und verließ den Platz.

Der ganze Prozess der Demütigung dauerte von 1 Uhr 40 bis  4 Uhr 30 am Nachmittag. Ich hatte am Ende schlimme Brustschmerzen, Schwindelgefühle und Übelkeit, dass ich mich übergeben musste und das Gefühl schwerer Demütigung. Ich rief einige Freunde an und bat sie, mir zu helfen. Sie versuchten, mich mit einigen Telefonanrufen zu beruhigen. Ich rief auch meine Freundin Dorit an; aber keiner konnte die Situation ändern. Ich verließ den Flughafen, konnte aber kaum atmen, gehen oder funktionieren.

Es tut mit leid, dass ich Euch nicht getroffen habe, dass ich an der Konferenz nicht teilnehmen  und Euch nicht an meiner Arbeit teilnehmen lassen konnte. Ich muss jedoch feststellen, dass es eine Grenze gibt, Demütigungen zu ertragen. Ich hatte das Gefühl, dass dieser ganze Prozess, mich zu einem bloßen Ding ohne Wert, ohne Stimme, ohne Achtung und ohne Macht erniedrigte und mich dahin brachte, gegen diese Dämonisierung anzukämpfen und den Flug zu verweigern. Wie hätte ich als  Mensch fliegen können, wenn sie nur eines im Sinn hatten, mich zu entmenschlichen und all ihre Macht dazu benützten, mir die Fähigkeit zu nehmen, das Foto meiner Kinder, mein Manuskript und meine Lektüre, meinen Laptop und meine persönlichen Dinge  zu schützen? Es war einfach schrecklich. Es ist die Art eines Unterdrückungssystems, das versucht, aus uns Menschen verängstigte Gestalten zu machen …

 

Bitte nehmt meine Entschuldigung an und schreibt  an meine Universität und an den israelischen Staat und fordert von ihm, uns an Konferenzen teilnehmen zu lassen  … er solle auch aufhören, unser Leben aus „Sicherheitsgründen“ zu marginalisieren, aus der Gesellschaft auszustoßen und zu demütigen .

 

Mit herzlichen Grüßen!  N.  (16.11.06)

 

(dt. Ellen Rohlfs)

 

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