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ief-aus-Israel]


 

 From: "Angelika Schneider" <anka.sch(at)gmx.net To: <Brief-aus-Israel(at)yahoogroups.de Subject: [Brief-aus-Israel] Aktuelles aus den besetzten Gebieten  

 

Brief aus Israel 4.7.06
 

Liebe FreundInnen,

mehrere bewegende Berichte - und ein Artikel aus der NY Times, dem ich der Weser-Kurierredaktion ans Herz gelegt habe - zeugen von der schlimmen Situation im Gazastreifen. Man braucht ja auch nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, was es bedeutet, nur stundenweise Strom und Wasser zu haben - dazu noch bei 35 Grad - während Gas zum Kochen und Brennstoff für Autos und, vielleicht noch wichtiger, für Notstromaggregate - zur Neige gehen. Weizen und Kichererbsen gibt es scheinbar noch, ohne Strom oder Brennstoff sind sie nicht genießbar.

Medikamente kommen nicht ins Land, Patienten die es brauchen nicht in israelische Krankenhäuser. Was wird inzwischen aus Dialysepatienten geworden sein, oder hat man sie dann doch, gnädig lebensrettend, durchgelassen? Nachts kein Schlaf wegen der Düsenflieger, tags traut man sich nicht raus wegen Angriffen. Und wenn man ohne Strom für den Aufzug im 11. Stock wohnt?

Sarnia Barnia, eine Frau aus Ramallah, wusste nicht warum sie während des Angriffs auf Gaza völlig unfähig war, irgendetwas zu tun - nicht einmal zu weinen oder zu schreien - außer ständig an den Nachrichten zu hängen. Bis ihr klar wurde, dass sie unbewusst die, schon lange verdrängte, 80 Tage lange Belagerung Beiruts und Angriffe durch die israelische Armee wieder durchlebte, die sie damals miterlebt hatte.

Anlass war die Ermordung des israelischen Botschafters in Großbritannien, der wirkliche Grund, eine Sicherheitszone 40km innerhalb von Libanon auszudehnen und - wie Scharon auch sagte - ein Ende der PLO und seines Führers Arafat herbeizuführen. "Ich wünsche, ich könnte bloß weinen," sagt sie, "Ich kann keine Erinnerungen mehr ertragen, die Wirklichkeit auch nicht."

Hoda wohnt neben dem Gebäude des Innenministeriums. Zwei Raketen trafen das leere Gebäude mitten in der Nacht, setzten eine Wohnung im Haus nebenan in Brand, von Hodas Wohnung aus konnte es gelöscht werden. Zwei Familien in Schlafkleidung mitten in der Nacht auf der Straße. Soll das etwa die Hamas bewegen, den israelischen Soldat auszuhändigen. Beim Lärm des Schallmauerdurchbruchs der Düsenjäger - immer wieder, mal tags mal nachts - wird Hoda, ("ich, eine Frau mittleren Alters, Ärztin") hysterisch, so dass ihre kleine Tochter sie beruhigen muss. (Ich kann das nachvollziehen - mir geht es schon bei Tieffliegern so, wenn ich meine Ohren nicht rechtzeitig zuhalte sobald sie sich nähern. Auf das "Sonic boom" ist man allerdings gänzlich unvorbereitet.) Außerdem gehen Fensterscheiben zu Bruch, Wellblechdächer sind schon auf Familien kollabiert, die Krankenhäuser sind voll traumatisierter Kinder.

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Gideon Levy schreibt, es müsse alles geschehen, um Gilad Shalit frei zu bekommen. "Was wir jetzt in Gaza machen hat nichts mit seiner Befreiung zu tun. Es ist ein großangelegter Racheakt, wie sie die IDF und Shin Bet schon lange ausüben wollten, hauptsächlich motiviert durch tiefe Frustration der Armeekommandanten wegen ihrer Machtlosigkeit gegen die Qassams und der wagemutige Angriff der Palästinenser". (Es mag in diesem Kontext bemerkenswert sein, dass im Englischen das Wort "Machtlosigkeit" "impotence" heißt. Ich weiß nicht, wie es auf Hebräisch ist.) "Die einzige weise und verhaltene Stimme, die bisher gehört wurde, war die des Vaters des Soldaten, Noam Shalit. Dieser edle Mensch rief in seiner offensichtlich schwierigsten Stunde nicht nach Härte und mehr Schaden am Leben von Soldaten und unschuldigen PalästinenserInnen... Es ist eine Schande, dass keiner ausgerechnet ihm zuhört... Was gäbe es für einen Aufschrei, wenn die Palästinenser die halben Mitglieder der israelischen Regierung geschnappt hätten?"

Und schließlich fragt Levy noch "hat irgendjemand überlegt, was passiert wäre, wenn es syrischen Flugzeugen gelungen wäre, eines der israelischen Flugzeuge abzuschießen, die unverschämt den Präsidentenpalast mit Lärm alarmierten? Hätten wir Syrien den Krieg erklärt? Einen weiteren, "legitimen Krieg"?.. Und wenn die Hamas Regierung fällt, wie es Washington will, was passiert am Tag danach?"

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Unter dem Titel "Im Dunkeln verhungern" schreibt Virginia Tilley, Politikprofessorin zur Zeit in Südafrika: "Mitten im Schlachtfeld können Palästinenser vielleicht eine bittere Pille der Entschädigung erkennen: die boshaften Bemühungen der Fatah, die Kontrolle über die nationale palästinensische Politik wieder zu erlangen und ihre Rivalität mit der Hamas sind nun obsolet geworden. Nicht einmal die internationale Gemeinschaft kann den Schein aufrecht erhalten, dass die PA überhaupt regierungsfähig ist.... Vielleicht hat die palästinensischen Einheit wieder eine Chance." Zugleich erinnert sie, dass in Gaza Strom gebraucht wird, um Wasser zu pumpen - Wasser, das bereits durch See- und Abwasser verunreinigt ist (hauptsächlich, weil zu viel hochgepumpt wurde, teilweise auch für die Landwirtschaft der Siedlungen) und elektrisch aufbereitet werden muss. Das bedeutet Cholera... Und schließlich können die Menschen nicht weg. Sie können nicht mal zu ihren Verwandten in der Westbank, nach Jordanien oder Ägypten.. Der wunderliche Maßstab dieser humanitären Situation wird nur übertroffen durch den betäubenden Rinnsal der internationalen Reaktion."

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Natürlich gehen währenddessen die Quälereien in der Westbank weiter. So schickt der Stadtrat der Stadt Beit Jala (neben Bethlehem) einen dringenden Appell an FreundInnen und Friedensliebende überall in der Welt, ihre Regierungen dazu zu drängen, sie möchten Druck auf Israel ausüben, die letzten Olivenhaine der Stadt nicht zu zerstören, um den Bau der Mauer voranzutreiben. Wenn Tod, Zerstörung, Hunger und traumatisierte Kinder unserer Regierungen nicht bewegen, welchen Chance haben wir?

Mit ziemlich verzweifelten Grüßen,

Anka

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