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 From: "Angelika Schneider" <anka.sch(at)gmx.net To: <Brief-aus-Israel(at)yahoogroups.de Subject: [Brief-aus-Israel] Aktuelles aus den besetzten Gebieten  

 

Brief aus Israel 27.9.06
 

"Nur ein gewöhnlicher Tag in den besetzten Gebieten"

Dorothy erzählt von einer Fahrt in die Westbank. Um 5.30 los gefahren, hat sie zunächst eine Bekannte begleitet, die zum ersten Mal allein in die besetzten Gebiete fahren wollte, um zwei palästinensische Kinder zu einem Krankenhaus in Haifa zu bringen. Dorothy, war überwältigt, als eine der Familien eine Kiste Guavas, ein großes Glas Oliven, ein Glas Käse und etwa ein Kilo frisches Zatar als Geschenk mitbrachte. Sie wollte nicht dass ihre Hilfe "bezahlt" wird, denn "gäbe es keine Besatzung hätten sie unsere Hilfe nicht gebraucht... Aber ich weiß aus Erfahrung, dass PalästinenserInnen große, freigiebige Herzen haben."

Nachdem ihre Bekannte mit den Kindern und ihrer Begleitung losgefahren war, ist Dorothy nach Azun Atme gefahren, damit Hani Amer, der nun sein letztes Land an die Mauer verlieren soll, ihr den Verlauf der Mauer zeigen konnte. Als Hani nach einer Viertelstunde noch nicht wie verabredet erschienen war, rief sie ihn an und erfuhr, dass er an einem Checkpoint am anderen Ende des Dorfes wartete. Früher war es eine 5-Minutenfahrt von seinem Haus am westlichen Dorfrand bis zu seinem Land. Wegen der Mauer muss er nun ums ganze Dorf herumfahren und durch ein Checkpoint, was eine Stunde oder länger dauern kann. Dorothy schlug vor, ihn am Checkpoint zu treffen. Das war aber nicht so einfach. "Der Wachssoldat befahl mir aus 5-10m Entfernung stehen zu bleiben. Ich sagte ihm (auf Hebräisch), dass ich gerne bereit wäre, mein Hemd hoch zu ziehen um zu zeigen dass ich keinen Sprengstoff trug. Als er Hebräisch hörte und meinen blauen Ausweis sag, beruhigte er sich. Ich sagte, ich wollte mit einem Freund auf der anderen Seite des Checkpoints sprechen.

Er sagte, das ging nicht. Ich hab ruhig darauf bestanden. Er sagte, er müsse den Offizier fragen. Ich wartete. Der Offizier kam und fragte, was ich wolle. Ich erklärte dass ich ein Freund treffen wollte aber nicht die Zeit hätte, eine Stunde zu warten, bis er durch den Checkpoint käm. Er fragte, wen und ich wies auf Hani, der aus seinem Auto gestiegen war und sich dem Zaun näherte. Ich erklärte, dass er sein ganzes Land wegen der Mauer verlieren sollte und dass ich das selber nicht hätte erleben wollen. Überraschenderweise stimmte der Offizier zu und ließ mich durch."

Dorothy beschreibt dann wie, obwohl die Leute ruhig und "fügsam" warteten und allenfalls die Soldaten baten, schneller zu machen, da sie zur Arbeit wollten, ein großer, kräftiger Soldat ohne erkennbaren Grund einen Palästinenser angriff und ihn mit Gewalt runter in ein trockenes Bachbett drängte. Ich rannte hin und versuchte, den Soldat zu beruhigen, der den Palästinenser anbrüllte, er habe irgendetwas Schlimmes über Russen gesagt. Der Soldat brüllte, dass ich weggehen solle abhauen, sonst würde er mich auch kriegen. Dann kam der Offizier und führte den Soldat weg. Der Palästinenser behauptete, erhabe nichts über Russen gesagt, sondern nur 'er sei ein Palästinenser der zur Arbeit wollte', offenbar als Antwort auf der Behauptung des Soldaten, er tue nur seine Pflicht.

"Was mir Angst machte war, dass einige wartende Palästinenser drauf und dran waren, dem Mann zu helfen. Verständlicherweise. Aber dann hätten die Soldaten vielleicht angefangen, zu schießen... Viel später erzählte mir Hani, dass solche Vorfälle mehrmals am Tag an diesem Checkpoint passierten. Das fand ich nicht tröstlich.

Auf dem Weg raus sprach ich mit dem Offizier und 2 Soldaten. Ich führte an, dass die Palästinenser nicht weniger Menschen seien als die Soldaten und ich, und ich nicht glaubte, die Soldaten sein erzogen worden, Menschen inhuman zu behandeln. Einer der Soldaten stimmte zu, 'Sie haben recht, aber wenn Sie Tag für Tag hierherkämen, würden Sie nach einigen Monaten auch so handeln.' Ich bin sicher, dass da viel Wahrheit drin steckt. Der Offizier sagte dagegen, die Checkpoints seien nötig, denn auch wenn 99 Personen anständig sein mögen, könnte doch der 100. ein Selbstmordbomber sein. Mein Kommentar, dass Selbstmordbomber kaum durch Checkpoints gehen würden, hat ihn nicht beeindruckt."

Dorothy hat dann die Route der Mauer und die Lage der Ländereien angeschaut. Nicht nur werden die Dorfbewohner etwa 100ha Land verlieren, sondern auch mehrere Brunnen. Sie werden vor Gericht ziehen. "Hani ist ziemlich optimistisch, dass die Route verändert wird. Ich nicht." Später, zurück in Hares, sahen wir, dass Leitplanken auf einer Siedlerstraße errichtet wurden, die von den DorfbewohnerInnen häufig überquert werden muss. "Nun, zu dem Zaun, der im Laufe des Jahres um das Dorf gebaut wurde, und ein Scharfschützenturm, und die ganzen Bäume, die ausgerissen wurden um Platz zu machen um die Siedlerstraße zu erweitern, müssen die Leute auch noch über die Leitplanken steigen. "Nicht so schlimm für die Jungen. Aber die Alten und Kranken? Aber wen störst, es sind ja nur Palästinenser."

Nachmittags erholte sich Dorothy von der Fahrt auf einer Hängematte im Garten. "Da ging mir plötzlich auf, dass der Garten, den ich liebe und der fast 50 Jahre lang Teil meines Lebens gewesen ist, in Wirklichkeit einer palästinensischen Familie gehört - einer Familie, die ihn verlor, als sie 1948 flüchteten, weil eine Palästinenserfamilie im Nachbardorf von Juden getötet worden war. "Natürlich war mir dass nicht neu. Aber nachdem ich in den letzten Jahren mit PalästinenserInnen wie Hani und Nazeeh und ihre Familien involviert war, die ich sehr gerne mag und die zur Zeit ihr Land verlieren, ist die Tatsache, dass das Land auf dem ich lebe mir nicht wirklich gehört, mir erst richtig klar geworden. Ich wünsche, ich könnte die Leute finden, denen es gehörte und mich entschuldigen. Ihnen sagen, wie leid mir ihr Verlust tut und eine Möglichkeit suchen, sie zu entschädigen.... Ich bezweifle, dass das passieren wird. Ich zweifele aber auch, dass ich jemals wieder das Gefühl haben werde, dass der Garten den ich die ganzen Jahre geliebt habe, in den ich so viel Arbeit gesteckt habe, wirklich mir gehört.

Schließlich haben die Menschen, denen er einst gehörte, ihn auch geliebt, wohl kein Deut weniger als ich."

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Gruß, Anka

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