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ief-aus-Israel]


 

 From: "Angelika Schneider" <anka.sch(at)gmx.net To: <Brief-aus-Israel(at)yahoogroups.de Subject: [Brief-aus-Israel] Aktuelles aus den besetzten Gebieten  

 

Brief aus Israel 9.11.06
 

Liebe Leute,

über den Horror in Beit Hanun will ich, muss ich hoffentlich, nicht berichten, da das ausnahmsweise auch in unseren Medien geschieht. Dass unter den Toten auch zwei Ärzte sind, die mit dem Roten Halbmond medizinische Hilfe brachten, finde ich besonders grausam. Endlich werden auch international Stimmen wach, aber von der Sitzung des Sicherheitsrates, das für gestern Abend einberufen wurde, habe ich noch nichts gehört.

Wie können wir unserer Stimme - die Stimme der PalästinenserInnen, der israelischen FriedensfreundInnen mehr Gehör verschaffen, das ist die große Frage. Wie können wir effektiver gegen die Instrumentalisierung des Antisemitismusvorwurfs, die als konzertierte Aktion in ganz Europa und USA als Waffe gegen jegliche Israelkritik eingesetzt wird, vorgehen?

In Südafrika wird - wahrscheinlich vergeblich - aufgerufen zu einem Boykott Israels seitens der Diamantenindustrie. Da fast alle Diamanten der Welt in Israel geschliffen werden (wie ich auf der jüngsten Reise erfuhr), wäre dies ein Schritt, der wirklich etwas bewirken könnte. Die Südafrikaner heben hervor, dass die Palästinenser die Boykottaktion gegen das Apartheidregime unterstützt hätten, nun müsse Südafrika die gleiche Solidarität erweisen.

Und wir?

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Fast lyrische Beschreibungen der Olivenhaine und die heitere Atmosphäre der Ernte wechseln ab mit Berichten über Siedler, die immer wieder die Erntearbeit stören und die Leute vertreiben - was nicht schwierig ist, da Siedler auch schon mal scharf geschossen haben, und die Angst groß ist - oder aber einfach selber die Oliven ernten, also stehlen. Ein Befehl des Obersten Gericht, dass die PalästinenserInnen bei der Ernte geschützt werden sollen, und das immer wieder der Polizei und dem Militär vorgezeigt wird, wird glatt ignoriert. Wirkung zeigt nur der Einsatz von israelischen Menschenrechtsorganisationen, denen es nach längeren Verhandlungen meist gelingt, das Recht der PalästinenserInnen schließlich durchzusetzen. Unglaublich, mit welcher Geduld die Olivenernter sich zurückziehen, abwarten, ihre Pläne durchkreuzt, ihre Oliven geraubt sehen, wissend, dass jeder Versuch, dagegen anzugehen, unvorhersehbare Reaktion hervorrufen kann.

Mehrere Berichte kommen von Dörfern im Umkreis von Nablus, wo die Besitzer der Olivenhain zum Teil zum ersten Mal in 6-8 Jahren versuchen, ihre Oliven zu ernten. Zum Teil wurden Siedler tatsächlich von der Polizei zurückgehalten, zum Teil mussten Ernteaktionen abgebrochen werden. Bei anderen Einsätzen wurden die Leute aber auch mit Gewalt vertrieben, auch internationale BegleiterInnen erhielten Tritte und Steinwürfe, im Angesicht der Soldaten, die tatenlos daneben stehen, obwohl sie per Dekret verpflichtet sind, die Erntenden zu schützen. Die Siedlung Elon Moreh, nahe Nablus, ist eine der ältesten in der Westbank und hat explizit gesagt, dass es ihr Ziel ist, die Schaffung eines palästinensischen Staates zu verhindern. Sie haben sich an einigen gewaltsamen Angriffen beteiligt, bei denen auch Palästinenser getötet wurden.

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Aber auch an den Checkpoints geht Erniedrigung und Gewalt weiter. An einem Checkpoint in Nablus wurden nur ganz langsam Fahrzeuge durchgelassen, um 14 Uhr schließlich der Betrieb ganz geschlossen. Die Menschen in mehreren 100m langen Schlangen warteten geduldig bis zum Abend eines kalten und regnerischen Tages. Ein LKW Fahrer der zum Aussteigen gezwungen wurde und sein Hemd heben sollte, um zu zeigen, dass er keinen Sprengstoffgürtel trug, hat sich aus Ehrgefühl geweigert und wurde ins Bein geschossen, anschließend wurde er vom Militär abtransportiert. Die Leute, die bereits 8 Stunden warteten, hatten keine Möglichkeit, zurückzufahren und in Nablus zu übernachten. Nach längeren Verhandlungen gelang es den Beobachtern, dass Frauen, ältere Männer und Kinder durchgelassen wurden. Nach weiteren Stunden - in denen auch die Soldaten immer nervöser wurden, gaben sie schließlich nach und ließen die jüngeren Männer in zwei Büssen durchfahren. Die MenschenrechtsbeobachterInnen erfuhren inzwischen, dass die Stadt voller Spezialeinheiten und ?Soldaten sei, und es bewaffnete Zusammenstöße gegeben habe. Sie warteten vor einer Moschee bis die Lage sich beruhigt hatte.

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In Hebron gab es eine spontane Demo als Reaktion auf die Nachrichten aus Beit Hanun. Kurz vor Mittag versammelte sich eine große Menge meist jüngerer Männer und Frauen mit Hamas- und Palästinaflaggen. Sie zogen durch einige Straßen; bald nahmen Jungen die Führung, warfen mit Steinen auf Soldaten und zündeten Reifen an. Glücklicherweise blieben die Soldaten einigermaßen ruhig und vertrieben die Jungen schließlich mit Tränengas bevor es zu schlimmeren Ausschreitungen und Gewalt auf beiden Seiten kam.

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So erfreulich der Wahlausgang in USA ist, mit seinem deutlichen Denkzettel für Bush und Rumsfeld, so ändert er leider nicht das geringste an der Israelpolitik. Gestern habe ich diesbezüglich an Köhler, Merkel und Steinmeier geschrieben, morgen nehme ich mir die auch von mir gewählten VertreterInnen meiner Wahladresse in NY vor, darunter auch Hillary Clinton. Da in NY mehr Juden leben als in Tel Aviv, werde ich damit wohl kaum etwas erreichen, dennoch muss der Versuch gemacht werden. Vielleicht frag ich auch die neue Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi zu ihrer Meinung darüber - sie wird von den Republikanern immerhin als Linke gesehen.

Je mehr Briefe die Leute kriegen, desto größer wird schließlich der Druck.

In diesem Sinne grüße ich, Anka

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