Nahostportal Krieg im Irak Iran Weltregierung UNO Das neue Imperium  Links für Verständigung Glaube Schreibe :Gegen Gewalt  Erhard - ARendT
 
 
 
   
 

 

Dr. Behrouz Khosrozadeh ist deutscher Staatsbürger iranischer Herkunft und Lehrbeauftragter am politikwissenschaftlichen Seminar der George-August-Universität Göttingen. Seine Dissertation zum Thema: „Demokratie und Zivilgesellschaft im islamischen Orient – Das Fallbeispiel Iran“ erschien im November 2003 beim Verlag für Wissenschaft und Forschung VWF/Berlin. 

Start  Start der Texte von Dr. Khosrozadeh


Die islamische Welt im Fadenkreuz der US-Sicherheitspolitik.

Der Streit um Irans Nuklearprogramm: Trommeln für einen neuen Golf-Krieg

 

„Die selbstgerechten Mächte haben die islamische Welt und deren Bastionen im Visier“, sagte kürzlich der Ex-Parlaments- und Staatspräsident der Islamischen Republik Iran Ali Akbar Haschemi Rafsanjani. Rafsanjani, der vor der versammelten Geistlichkeit in der nordiranischen Stadt Maschhad sprach, sieht den enormen Druck des Westens auf den Gottesstadt in Gestalt der IAEO (Internationale Atom-Energie Organisation). „Jene Organisation, die ins Leben gerufen wurde, um den Weltfrieden zu fördern und die friedliche Nutzung der Kerntechnologie allen Mitgliederstaaten zu ermöglichen, sieht tatenlos zu, wie das Nukleararsenal des zionistischen Israel die ganze Region bedroht. Jene Organisation, die nun uns den Zugang zur Nukleartechnologie mit aller Gewalt verbieten will.“ Der starke Mann in Teheran und Vorsitzende des Feststellungsrates fordert Irans „Staatsdiener“ dazu auf, interne Streitigkeiten beizulegen und die Würde des Islam und des Iran zu verteidigen. Rafsanjanis Äußerungen können gewiss kein Spiegelbild der Meinung der iranischen Gesellschaft und Nation abbilden und erst recht nicht als Maßstab für die Analyse und Beurteilung des iranischen Atomprogramms gelten. Als Mann der ersten Stunde der Islamischen Republik mit Schlüsselpositionen dürfte er in einer post-islamisch-republikanischen Ära in den ersten Reihen einer „Wahrheitskommission“ Platz nehmen. Doch seine Äußerungen in der Sache sind zumindest eine Überlegung wert.
 

Die USA und die islamische Welt

In den letzten 14 Jahren sind vier großangelegte internationalisierte Feldzüge unter der Führung der Vereinigten Staaten geführt worden: der Kuwait-Krieg (1991), der Jugoslawien-Krieg (1999), der Afghanistan-Krieg (2002) und der Irak-Krieg (2003). Mit Ausnahme des Krieges gegen Slobodan Milesovic, der zu spät und erst nach den Massakern an Muslimen (Srebrenica) auf dem Balkan geführt wurde, waren die anderen drei gegen muslimisch bevölkerte Staaten gerichtet. Hinzu kommt die nahezu uneingeschränkte Rückendeckung der Regierung Sharons durch die Vereinigten Staaten, die seitens der Muslime auch zweifellos als ein zynischer Akt der Verschwörung gegen die Welt des Islam wahrgenommen wird. Gewiss weint niemand den Taliban und Saddams Regime Tränen nach. Doch spätestens nach dem Waffengang gegen den Irak landete Amerika „auf dem Zenit seiner politischen Unglaubwürdigkeit“ (Jimmy Carters Nationaler Sicherheitsberater Zbigniew Brezezinski).

Noch nicht von der Bauchlandung im Irak erholt, suchen nun die Falken im Weißen Haus eine neue Front für die zweite Amtsperiode der Bush-Administration: die Islamische Republik Iran. Der Nahe Osten soll von den der USA Stirn bietenden Regimes gesäubert werden und welches Regime verkörpert den Anti-Amerikanismus in der Staatenwelt so vehement wie das der Mullahs in Teheran. Die 18jährige Entwicklung des Atomprogramms des Gottesstaates nimmt Washington zum Anlass, durch eine konzertierte Aktion die internationale Gemeinschaft zunächst mental auf einen Feldzug gegen den Iran vorzubereiten. Das Szenario gleicht allzu sehr dem des Vorabends des Irak-Krieges. Während IAEO-Generalsekretär  El Beradei beteuert, man habe zwar Bedenken gegen die Entwicklung des iranischen Nuklearprogramms, jedoch habe man bislang keine stichhaltigen Beweise über militärische Absichten und eine diesbezügliche Nutzung Teherans finden können.

 

Zweierlei Maßstab

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts sind die Aggressionen der „selbstgerechten Mächte“ (Rafsanjani) gegen die islamische Welt und deren sture und unnachgiebige Stütze, den Staat der Ayatollahs gerichtet. Wer interessiert sich heute für Castros einsames Kuba? Wer interessiert sich für die Weigerung Brasiliens, das Zusatzprotokoll des Atomsperrvertrages zu unterzeichnen? „Brasilien muss auf eine eventuelle Veränderung der Weltlage vorbereitet sein“, sagte kürzlich Rio de Janeiros Technologieminister Roberto Amaral. Jener Minister, dessen ungeschicktes Statement Staatspräsident Lula da Silva relativieren musste: „Brasilien sollte zum Bau der Atombombe in der Lage sein“, so Amaral vor einiger Zeit. Außenminister Celso Amorim stellte klar: „Brasilien werde die eingegangenen Verpflichtungen aus dem Sperrvertrag einhalten - aber unsere technologischen Geheimnisse werden wir nicht preisgeben.“ Solche Äußerungen der hochrangigen Offiziellen eines technologisch hochentwickelten Exportlandes erregte bislang weder die IAEO noch die internationale Gemeinschaft allen voran die USA und die EU sonderlich. Dabei ist Rio de Janeiro bislang im Gegensatz zum Iran weder dem Zusatzprotokoll beigetreten noch hat es Inspektionen (angemeldete wie unangemeldete) seiner Atomanlagen zugelassen. Als Ergebnis des EU-Triobesuches in Teheran hat Irans Vertretung bei der IAEO im Dezember 2003 das Zusatzprotokoll zum Atomsperrvertrag unterschrieben. Um Vertrauenswillen zu demonstrieren, stoppte der Iran sein Urananreicherungsprogramm vorläufig und ließ unangemeldete IAEO-Inspektionen zu. „Der vorläufige freiwillige Stopp unseres Urananreicherungsprogramms sollte ein Zeichen guten Willen des Iran sein. Die IAEO hatte ein Jahr lang Zeit, sich von unseren friedlichen Absichten bezüglich unseres Nuklearprogramms zu überzeugen. Keine Institution kann uns unsre Rechte streitig machen“, so Hassan Rouhani, Generalsekretär des obersten Nationalen Sicherheitsrates des Iran gestern in einem Interview.   

In der Wiener Atom-Energie- Behörde soll man sich sicher sein, dass der Iran mit der Organisation derzeit weitaus stärker kooperiert als Brasilien. Vom Außenministertrio aus Berlin, Paris und London, das „allmählich die Geduld über den Iran verliert“, sind keine besonders kritischen Äußerungen gegen Brasiliens Nuklearvorhaben bekannt.

 

Warum insistieren die Mullahs auf ihr Nuklearprogramm?   

Nach der Vertreibung der irakischen Truppen von den iranischen Grenzen während des Iran-Irak-Krieges (1980-88) beharrte die Islamische Republik auf der Fortsetzung des Krieges, bis der Aggressor (Saddam Hussain) bestraft bzw. gestürzt wäre. Khomeinis Truppen überquerten die irakischen Grenzen, eroberten die ölreichen Inseln Majnun und Fao und standen vor den Toren Basras, der zweitgrößten irakischen Stadt. Das ganze geschah unter den für den Iran denkbar ungünstigsten Bedingungen. Baghdad profitierte während der gesamten Kriegsjahre vom Zufluss der arabischen Petro-Dollars sowie den massiven Waffenlieferungen aus Ost und West, während der Iran die Ersatzteile für sein amerikanisch geprägtes Waffenarsenal auf dem freien Markt zu überhöhten Preisen einkaufen musste. Die skrupellose Armee Saddams setze bereits Mitte der 80er Jahre Chemiewaffen, speziell Giftgas, gegen die anrückenden iranischen Truppen ein. Hunderte Scud-Raketen bestückt mit Senfgas schlugen mitten in die iranischen Soldaten ein. Die massiven Proteste Teherans gegen diesen eklatanten Bruch  internationaler Abkommen seitens des Irak fanden keinen Widerhall in der internationalen Gemeinschaft. Im März 1988 wurde die kurdisch bewohnte Stadt Halabja im Norden Iraks von der irakischen Luftwaffe flächendeckend mit Giftgas bombardiert, in deren Folge über 3000 kurdische Zivilisten starben. Die Stadt war zuvor von den iranischen Truppen eingenommen worden. Die Iraner filmten das grausame Verbrechen und die erschütternden Bilder gingen um die Welt. Der große Aufschrei blieb aus. Stattdessen bereiste der irakische Außenminister Tareq Aziz Washington und europäische Hauptstädte, darunter Bonn, wo er warmherzig empfangen wurde. Jene Staaten, die heute dem Iran unter Ausübung enormen Drucks ein Ultimatum setzen und allmählich die „Geduld mit Teheran verlieren.“ Zum Überdruss der iranischen Führung griff die US-Marine in den Krieg ein, indem sie irakisches Öl verschiffende kuwaitische Tanker eskortierte. Ein beachtlicher Teil der iranischen Marine wurde in Gefechte verwickelt und versenkt. Schließlich schoss der US-Zerstörer „Vincennes“ ein iranisches Passagierflugzeug mit 290 Insassen an Bord ab. Der Iran musste Jahre lang mitverfolgen, wie die internationale Gemeinschaft ihre rechtlich-politischen Ressourcen erfolgreich einsetzte, um die Drahtzieher des Anschlages von Lockerbie, bei dem 1988 250 Passagiere, zumeist amerikanische Bürger, ums Leben kamen, zu überführen und alle Hinterbliebenen zu entschädigen. Bei all diesen Ereignissen musste der Iran zur bitteren Erkenntnis gelangen, dass er in den entscheidenden und das Land enorm gefährdenden Momenten auf sich allein gestellt ist. „Der Geruch der Chemiebomben vergiftete und tötete unsere Soldaten. Saddam wurde immer skrupelloser und die Weltgemeinschaft ließ ihm freien Lauf. Die Iraker griffen alles an, militärische und zivile Objekte, Passagierflugzeuge, sie zielten auf alles und dabei bedienten sie sich massiver chemischer Waffen. Sie kannten keine Grenzen. Alles war nun angreifbar und verwundbar geworden. Wir konnten und wollten nicht so zurückschlagen“, so der Ex-Parlaments- und Staatspräsident Rafsanjani in einem Interview mit der iranischen Zeitung Hamschahri. Saddams Überfall auf Kuwait bestärkte den Iran in der Annahme, er könnte wieder in Versuchung kommen, den großen Nachbarn anzugreifen.

Die Gefährdung des Iran durch Saddam Hussain ist nun Geschichte. Doch die Islamische Republik ist von Nuklearmächten (China, Indien, Pakistan und Israel) umgeben. US-GI´s und Militärberater sind rund um den Iran herum stationiert. Der Iran bildet den Kernstaat der „Achse des Bösen". Für die Mullahs gibt es keine Garantie, nicht das nächste Angriffsziel Amerikas zu werden. Unter diesen komplizierten Rahmenbedingungen wird es schwer, die Machthaber in Teheran davon zu überzeugen, dass sie auf ihr Atomprogramm verzichten sollten. Mit einem konservativen Parlament im Rücken, bekundete Außenminister Kharazi mit neu gewonnenem Selbstbewusstsein die Verärgerung Teherans gegenüber der EU. Sollte die EU dem Druck Washingtons nachgeben, gäbe es keinen Grund mehr zur Kooperation.

 

Die internationale Gemeinschaft zeigt Verständnis für die Vereinigten Staaten, die zehntausende Kilometer weit von ihren Grenzen entfernt um ihre Sicherheit bangen. Nicht aber für ein Land, welches mitten in der turbulentesten Region der Welt, umgeben von amerikanisch besetztem Territorium oder von US-Verbündeten auf sich allein gestellt ist. Das EU-Trio setzt den Iran unter immensen Druck und fordert die IAEO auf, den Mullahs ein Ultimatum bis zu der nächsten Sitzung ihres Gouverneurrates am kommenden 25. November zu stellen, was nun als Resolution des Gouverneurrates verabschiedet worden ist. Sollte Teheran die „Ungereimtheiten seines Nuklearprogramms“ nicht offen legen und beseitigen, würde der Fall dem UN-Sicherheitsrat zur Entscheidung vorgelegt werden. Das ganze auf den Druck jener Weltmacht hin, die in jüngster Zeit mehr als jeder andere Staat auf der Welt Kriege geführt hat.

 

Doch der Siebzig-Millionen-Einwohner-Staat Iran ist weder Afghanistan noch der Irak. Als einzig verbliebener ernst zu nehmender der USA Stirn bietender Staat auf der Bühne der Weltpolitik kann es sich der Gottesstaat nicht leisten, einen Präventivschlag Amerikas oder Israels gegen ihre Nuklearanlagen unbeantwortet zu lassen. Die Mullahs würden aufgrund mangelnder militärischer Kapabilitäten zu einem direkten symmetrischen Gegenschlag nicht in der Lage sein. Doch könnten die Ayatollahs ihre globalen Netzwerke aktivieren und dem internationalen Terrorismus abermals eine neue Dimension verleihen. Aus einem Waffengang gegen die Islamische Republik könnten die Völker des bekriegten Trios: Afghanistan, Irak und Iran als  endgültiges Bündnis hervorgehen. Das dürfte aus der bis dato regional begrenzten Krise abermals eine Weltkrise mit dem viel beschworenen Zivilisationenkrieg werden lassen.  Samuel P. Huntington lässt grüßen.

 

 

Start  Start der Texte von Dr. Khosrozadeh

oo

 


 

      Start | oben

 Impressum           Haftungsausschluss        KONTAKT           Datenschutzerklärung             facebook